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Vom GIS-Einsatz, dem Paradigmenwechsel und der Lärmsimulation

Der dritte und damit letzte Teil unserer Nachlese zum Kommunalen GIS-Forum 2022 in Ulm setzt nahtlos am ersten und zweiten Teil der Nachberichterstattung an. Denn was große Städte, wie Ulm, München oder Stuttgart im Umgang mit 3D-Geodaten und GIS-Lösungen können, ist auch in kleineren Städten und Kommunen möglich.

GIS-Lösungen und deren Wert für Städte und Kommunen. Bild: stock.adobe.com (naschy)

Anders formuliert könnte es heißen: GIS-Lösungen sind nicht nur etwas für die großen Städte und Kommunen. Das unterstrich Franco Di Bari vom Landratsamt Sigmaringen in seinem Vortrag zu GIS-Kooperationen. „Auch Kommunen mit 2000 Einwohnern möchten GIS machen“, erklärt F. Di Bari. Den Wert der eigenen GIS-Lösungen zeigt sich durch 4,75 Millionen Zugriffe auf das GIS-Portal des Landkreises. Die Kooperation der gegenseitigen Datenbereitstellung reicht vom Katastrophenschutz bis zur Bodenschätzung. Als konkretes Beispiel nennt er die Suche- und Berge-App, die online und offline funktioniere, eine Straßennavigation über Google oder Apple ermögliche und im Wald auf eine Kompassfunktion umschalte. Eine andere Anwendung liegt nach F. Di Bari in der Geruchsausbreitungsvisualisierung im landwirtschaftlichen Umfeld. Herbei werden Geruchsimmissionen in Abhängigkeit von Konzentration, Zeit und Wind aufgezeigt. Grundsätzlich sieht F. Di Bari bei den vielen Krisen, die momentan vorherrschen, auch viel Glück. Denn viele Anwendungen entstehen nunmehr aus einer Krise heraus und davon profitieren auch kleinere Kommunen im Verbund – wie Sigmaringen. Der Vortrag brachte zudem eines auf den Punkt: Einfach machen, mit Blick auf GIS-Lösungen.

Dieses einfach machen, stößt hingegen an anderer Stelle schnell an seine Grenzen. Gemeint ist das schwierige Umfeld der Verkehrszählungen. Davon berichtete Gerrit Bernstein von der Stadt Ulm. Diese erfolge nach G. Bernsteins Worten traditionell mittels manueller Zählungen, einem Seitenradar, Platten oder Zählschleifen. Das Problem besteht bei diesen Zählungen darin, dass die Daten nur lokal und in unterschiedlichen Formaten und Strukturen vorliegen. Für Auswertungen und vor allem einen Gesamtblick auf das Verkehrsaufkommen in Städten ist ein solches Vorgehen nur bedingt geeignet. Daher ging es in Ulm um die Überlegung, wie eine Auswertung und Visualisierung dieser Daten in einem Dashboard besser bereitgestellt werden könnte. Eine Lösung bietet die Aufbereitung der Daten mittels FME und die Datenbereitstellung via ArcGIS Online beziehungsweise über das ArcGIS Enterprise-Portal. Ein weiterer Knackpunkt bestehe nach G. Bernsteins Worten darin, dass Verkehrszahlen in der Verwaltung nur bedingt zur Verfügung stünden.

Zudem fehlen Echtzeitdaten sowie Datenreihen über lange Zeiträume, inklusive eher punktuell zur Verfügung stehender Daten und der ungleichen Verfügbarkeit über alle Verkehrsarten. Um diesen Missstand aufzulösen, bietet sich beispielsweise ein Bezug der Daten über Dienstleistern wie Here an. Auch hier verwies G. Bernstein auf die Datenaufbereitung mithilfe von FME und Bereitstellung über ArcGIS (Online/Enterprise-Portal). Wie eine zukunftsweisende Verkehrszählung auf Basis von künstlicher Intelligenz aussehen kann, zeigt sich durch die Schaffung besserer Datenbasis mittels Sensoren auf Basis von „opendata.cam“. Als kommender Schritt ist nach G. Bernstein unter anderem die Schaffung einer guten Datenbasis mit eigenen Sensoren an Ampeln geplant. Hinzu kommen Clusterbildungen auf Basis ähnlicher Strukturen sowie der Hochrechnung der Zahlen in den Clustern auf Basis der Verkehrszahlen von Here und eigener Messungen.

Vom Aufbau einer guten Datenbasis zum aktiven Bereitstellen ist es scheinbar nur ein kurzer Schritt. Scheinbar, denn diese Daten dürften nach Dr. Heino Rudolf (hrd.consulting) nicht einfach in ein System hingeschüttet werden. Davor warnte er zu Beginn des Gemeinschaftsvortrags mit Constance Zenner vom Umweltamt der Stadt Leipzig. Dr. H. Rudolf: „Es geht um einen Mehrwert bei der Datenbereitstellung.“ Leider sei seiner Meinung nach dieser Mehrwert in vielen Fällen nicht zu erkennen. Neben einem Wuchern an neuen Standards bemängelt Dr. H. Rudolf aufwendige ETL-Prozesse oder die Datenbereitstellung in beliebigen Strukturen als Open Data. „Ein Weiterverarbeiten der Daten wird so zu einem Programmierabenteuer“, konstatiert Dr. H. Rudolf. Eine Lösung, um diese Missstände zu beheben, bietet „Simplex4Data“. Für Dr. H. Rudolf ein Paradigmenwechsel in der Datenbereitstellung: „Die Weiterverarbeitungen und Verschneidungen der Daten sind mit weit weniger Programmieraufwand umsetzbar.“ Zudem könne nach seinen Worten jeder auf einfache Weise seine Daten bereitstellen. Und das bei bezahlbaren und zeitlich überschaubaren Prozessen. Im weiteren Verlauf erläuterte C. Zenner am Beispiel der Lärmkartierung den zuvor schwierigen Prozess der Datenaufbereitung auf Basis heterogener Geodaten aus verschiedenen Ämtern. „Das Ganze verursachte hohe Kosten und benötigte einen enormen Personalaufwand für die Datenbeschaffung sowie Datenprozessierung und -analyse“, umreißt C. Zenner die Herausforderungen. Daher war es unter anderem das Ziel, eine effizientere Datenprozessierung zu ermöglichen, um das komplette Datenmanagement zu verbessern. Dank des von Dr. H. Rudolf beschriebenen Lösungsweges konnte das Umweltamt seine Datenaufbereitungen vereinfachen, bei einer gleichzeitigen Reduzierung des Zeit-, Kosten und Personalaufwandes. Nicht zu vergessen die optimierte Nachnutzung der Daten für Analysen, Prozesse und Anwendungen.

Mit dem Thema Lärm beschäftigte sich auch der abschließende Vortrag von Michael Guggumos (Möhler + Partner). Unter dem Titel: „Lärmsimulationen im Rahmen der Lärmvorsorge, Lärmsanierung und Lärmkartierung“ zeigte er die Möglichkeiten zum Aufbau der Durchführung und der Präsentation einer Lärmberechnung. Um dem Verkehrslärm – hervorgerufen durch die Bahn oder Pkw – entgegenzuwirken, bieten sich neben der Vorsorge die Sanierung und Kartierung an. Um beispielsweise den Aufbau einer möglichen Lärmprognose umzusetzen, müssen Faktoren der Emissionen, der Ausbreitungswege als auch der Immission berücksichtigt werden. Nach M. Guggumos eignen sich bei der Darstellung von Ausbreitungswegen unter anderem digitale Geländemodelle oder Gebäudemodelle. Auf die Frage, warum GIS bei Lärmprognosen eine entscheidende Rolle spielt, verweist M. Guggumos nicht zuletzt auf die Verfügbarkeit der Datengrundlage bei Ämtern und Kommunen. Den eigentlichen Ablauf einer Lärmprognose beschreibt er von der Dateneinholung (von Ämtern und Kommunen bis zu Ortsbegehungen) über die Datenverarbeitung mittels Wohneinheiten, Stockwerken und Verkehrsmengen bis zur Darstellung der Ergebnisse auf Basis von Rasterlärmkarten.

Epilog: Die Geo-IT-Welt und der Mehrwert der Verbandsarbeit

Apropos Raster. Aus selbigem fiel in diesem Jahr etwas der Veranstaltungsort zum Kommunalen GIS-Forum, das nicht wie sonst in Neu-Ulm tagte, sondern wie eingangs bereits beschrieben in Ulm. Für manchen Teilnehmer endlich der richtige Ort für die GIS-Tagung des Runden Tisch GIS. Andere blickten sehnsüchtig auf das andere Donau-Ufer in Richtung Neu-Ulm.

Ob nun das linke oder rechte Donau-Ufer der richtige Veranstaltungsort ist, das ist Ansichtssache und mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Keine Ansichtssache, sondern gesetzt ist dagegen die Geo-IT-Welt mit ihren Lösungen und Möglichkeiten – seien es Geoinformationen, 3D-Geodaten oder der GIS-Einsatz in der Stadt und auf dem Land.

Denn Städte und Kommunen stehen vor gewaltigen Herausforderungen und einem umfassenden Transformationsprozess. An diesen wichtigen Nahtstellen kann die Geo-IT-Welt mit ihren Lösungen Mehrwerte schaffen. Mehrwerte, die der Runde Tisch GIS mit seiner Verbandsarbeit vermittelt. Mehr noch setzt er Impulse und bringt sich mit seinen Kernthemen in die Diskussion ein. „Hierzu zählen die Bereiche der Aus- und Weiterbildung, der Projektarbeit sowie Kompetenzpools und nicht zuletzt die Nachwuchsförderung“, so Prof. Thomas H. Kolbe, Vorstandsvorsitzender des Runden Tisch GIS. Der freut sich auf weitere Veranstaltungen des Runden Tisch GIS in Präsenz, denn der Netzwerkgedanke sei seiner Ansicht nach ein wesentlicher Erfolgsfaktor solcher Treffen. Also knüpfen wir daran an, im Rahmen des kommenden Kommunalen GIS-Forums am 9. November 2023 wieder im Ulmer Stadthaus.


Hören Sie den Podcast auf gis.Radio: „Nachgehakt: Von der Theorie in die gelebte Geo-IT-Praxis“ mit Prof. Dr. Thomas H. Kolbe, Vorstandsvorsitzender des Runden Tisch GIS e. V. und Professor am Lehrstuhl für Geoinformatik der Technischen Universität München.


 

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