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Valide Daten und KI

„Urbane Räume“, so lautet eine jüngst zu Ende gegangene Ausstellung des Fotografen Peter Bialobrzeski im Ulmer Stadthaus. Auf den Internetseiten des Stadthauses heißt es hierzu: „Bialobrzeski beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Veränderungen und Transformationsprozessen im urbanen Raum.“ Gesellschaftliche Veränderung und Transformation. Zwei große Themen, die auch den Runden Tisch GIS e. V. im Kontext seiner Verbandsarbeit beschäftigen. Mehr als deutlich wurde dies im Rahmen des Kommunalen GIS-Forums am 15. November 2022 in eingangs genannten Stadthaus in Ulm. Unsere Redaktion begleitete die eintägige Veranstaltung. Eine dreiteilige Nachlese gewährt Ein- und Ausblicke in die kommunale GIS-Welt.

In Wurfweite des Ulmer Münsters öffnete im November 2022 das Kommunale GIS-Forum im Stadthaus seine Türen. Bild: stock.adobe.com (4th Life Photography)

Wenn das Ulmer Münster sprechen könnte, es hätte viel zu erzählen aus seiner langen Geschichte seit der Grundsteinlegung im Jahr 1377. Es sah Menschen kommen und gehen, die Stadt wachsen und sich verändernd in all den Jahrhunderten. Und auch heute ist Ulm geprägt vom Wandel und der Suche nach nachhaltigen Lösungen für die Stadt mit ihren Herausforderungen im digitalen Zeitalter. Nicht umsonst hat sich Ulm den Slogan: „Ulm. Zukunft. Stadt“ gegeben und setzt auf eine offene Strategie, für alle und nachhaltig.


Die komplexe Datennutzung und deren Akzeptanz

Was dies mit Blick auf das Thema des Bausektors bedeutet, das verdeutlichte Tim von Winning, Baubürgermeister der Stadt Ulm, in seiner Eröffnungsrede. Mit seinem Vortrag zum „Planen, Bauen & Wohnen in der Zukunftsstadt Ulm“ nahm er die rund 90 Teilnehmenden mit auf den städtischen Weg. Und der ist geprägt vom großen und gleichzeitig komplexen Thema des Bauens und Wohnens mit einer teils maroden, Wohnungsknappheit sowie dem demografischen Wandel. Damit steigen nach den Worten T. von Winnings die Anforderungen an Verwaltungen. „Wir können aus Daten lernen“, ist sich T. von Winning sicher. Gleichzeitig habe sich seiner Ansicht nach der Umgang mit Daten und deren Interpretation massiv verändert. T von Winning: „Es gibt immer mehr Wissen und es ist anspruchsvoll, dieses Wissen zusammenzuführen.“ Baubürgermeister T. von Winning verweist in diesem Zuge nicht ohne Grund auf Daten und deren Nutzung. Nehmen diese doch bei der Stadt Ulm eine zentrale Stellung ein, auch vor dem Hintergrund, dass mithilfe valider Daten und deren Auswertungen maßgeblich bei der jeweiligen Zielerreichung unterstützen können.

Beispielsweise helfen Sensoren und die daraus abzuleitenden Daten dabei, Besucherströme zu überblicken, Baumstandorte und deren Bewässerung zu optimieren oder die Müllentsorgung in der Stadt zu verbessern. Wichtig seien nach Ansicht des Baubürgermeisters Schnittstellen, um Daten zu synchronisieren. Er unterstreicht, dass diese Datenerfassung und -haltung immer komplexer wird. „Wir haben eine Verantwortung, diese Daten immer wieder zu pflegen“, so T. von Winning. Und er fügt hinzu: „Diese Datenaufbereitung kostet viel Geld und Ressourcen.“ Grundsätzlich stellen sich die Verantwortlichen innerhalb der Stadt Ulm die Frage, welche Daten heute und welche vielleicht in zehn oder 20 Jahren gebraucht werden. „Das ist eine Abwägungsfrage und darf keinem Selbstzweck folgen“, erklärt T. von Winning. Und er unterstreicht, dass die bereitgestellten Daten in einer Form vorliegen müssten, damit Laien ohne Vorkenntnisse diese nutzen könnten. Dabei ist eine valide Datenerhebung und -steuerung ein Schlüssel für den Erfolg der Datenakzeptanz und -nutzung innerhalb der Stadt sowie mit Blick auf die Bürger. „Wir machen uns mit den Bürgern gemeinsam auf, um mögliche Akzeptanzprobleme hinsichtlich des Verständnisses und der Nutzung von Daten zu lösen“, resümiert T. von Winning.

Ganz in diesem Sinne sprach Dr. Klaus Brand, Vorstandsmitglied des Runden Tisch GIS, bei seiner Überleitung zu den weiteren Referenten davon, dass die Komplexität in der Datenerfassung und -nutzung reduziert werden müsse. Ein Beispiel sei nach Dr. K. Brands Worten das Abwassermonitoring im Zuge der Corona-Pandemie. „Ein komplexes Thema“, so Dr. K. Brand, der ergänzt: „Mithilfe eines Dashboards wurde die Lösung so umgesetzt, sodass jeder Betrachter damit etwas in der täglichen Arbeit anfangen kann.“ Sprich von den Gesundheitsämtern über die Politik bis zur Bevölkerung.


Großer Sprung, kooperative Energiewende und kommunale Wärmeplanung

Dass die richtige Datenerfassung und -nutzung auch an anderer Stelle eine maßgebliche Rolle spielt, verdeutlichte Michael Schneider vom Ökoenergie-Institut Bayern in seinen Ausführungen zum Energie-Atlas Bayern. Um die dahinterliegenden Potenziale zu erkennen und sinnstiftend zu nutzen, muss zunächst ein Hauptaugenmerk auf den Betrieb, die Pflege und Weiterentwicklung des Atlas liegen. Denn eine valide Datengrundlage ist das A und O eines solchen Informationsportals und entscheidend für den Erfolg des Atlas. Der Energie-Atlas Bayern docke nach M. Schneiders Worten an den Bayern-Atlas an und sei als ressourcenübergreifendes Instrument zu verstehen. M. Schneider: „Der Atlas ist seit elf Jahren online und dient als Informationsportal und digitale Planungshilfe für Bürger, Kommunen, Unternehmen, aber auch Behörden, Planer und Verbände.“ Dank des Energie-Atlas lassen sich mehr als 200 Themenseiten mit Grundlageninformationen und Fachwissen zum Energiesparen, zur Energieeffizienz und zu erneuerbaren Energien finden. Ein brandaktuelles Thema – gerade vor dem Hintergrund knapper Energieressourcen und den massiv steigenden Energiekosten. Das spüren auch die Betreiber des Energie-Atlas, denn die Zugriffsraten hätten sich in den letzten Monaten merklich erhöht. Inhaltlich können Anwender unter anderem Antworten zu Fragen nach der Nutzung von Erdwärme auf dem eigenen Grundstück finden, aber auch, wo sich geeignete Standorte für Windkraftanlagen befinden. Gleiches gilt für die Frage nach den Potenzialen zur Nutzung von Photovoltaik oder der Wasserkraft.


Ein ausführliches Interview mit Michael Schneider zum Energie-Atlas Bayern finden Interessenten in der gis.Business 1/2023.


Umfassende digitale Werkzeuge erlauben eine zielgenaue Recherche zu den einzelnen Themenfeldern – vom Standortcheck über 3D-Analysen bis zu Szenarien möglicher Energieeinsparungen. Mit Blick auf den weiteren Ausbau spricht M. Schneider unter anderem vom Technologiewechsel des Kartenteils, der Aktualisierung von Karten sowie von Statistik-Datenblättern für Kommunen mit den wichtigsten Energiedaten. Doch bei aller Euphorie für erneuerbare Energien sieht M. Schneider den sogenannten „Energie-3-Sprung“ im Mittelpunkt des Denkens. Das heißt zunächst den Energiebedarf zu senken, dann die Energieeffizienz zu steigern und schlussendlich erneuerbare Energien auszubauen. Oder wie es auf den Seiten des Energie-Atlas Bayern heißt: „Wie beim athletischen Dreisprung gelingt durch kluge Kombination der große Sprung und damit eine besonders wirkungsvolle und dauerhafte Minderung der Kohlendioxid (CO2)-Emissionen.“

Daten, Karten und einen Überblick liefert auch der Landkreis Cham in Oberbayern. Am Beispiel des digitalen Energienutzungsplans vermittelte Dr. Ulrich Huber, Landratsamt Cham, die dahinterliegende Planungsgrundlage zur kooperativen Energiewende für Kommunen. Vor dem Hintergrund des Programms zur „Förderung von Energiekonzepten und kommunalen Energienutzungsplänen“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums setzte der Landkreis Cham bereits 2012/2013 auf einen Energienutzungsplan. „Nur damals noch nicht digital“, wie Dr. U. Huber bestätigt. Die digitale Wende erfolgte auf Basis eines Kreistagsbeschlusses aus dem Jahr 2021, wobei der Schwerpunkt von Beginn an auf einem realistisch umsetzbaren Maßnahmenkatalog lag, inklusive konkreter Handlungsoptionen für die lokale Energiewende sowie deren technische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit. Nach Dr. U. Huber ein Thema, das gleichzeitig neutrale Entscheidungsgrundlagen für die Akteure vor Ort bieten sollte, sowie Energieszenario zur Erreichung einer bilanziellen Eigenversorgung aus erneuerbaren Energien. Konkret heißt das: Bei dem zu 70 Prozent von Bayern innovativ geförderten Projekt lag das Hauptziel in einer „gebäudescharfen Erfassung der momentanen Energiebedarfs- und Energieversorgungssituation im Landkreis“, so Dr. U. Huber. Hinzu kam nach seinen Informationen eine darauf basierende Berechnung der Potenziale zur Energieeinsparung und zum Ausbau erneuerbarer Energien. Mittels einer interkommunalen Energiewende-Web-App können Anwender unter anderem PV-Potenziale von Freiflächen über GIS-Analysen durchführen oder Analysen möglicher Parkplatz-PV-Potenziale durchführen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten der Web-App: Die Ermittlung des Wärmebedarfs, der Wärmedichte und daraus abzuleitender Sanierungspotenziale. Weiterführend sieht Dr. U. Huber vermehrte Potenziale in der durch die künstliche Intelligenz (KI) gestützte Ermittlung von PV-Bestandsanlagen auf Basis von Deep Learning via ArcGIS Pro und Image Analyst. Doch mit den neuen KI-Möglichkeiten gehen nach Huber auch höhere Anforderungen an die Rechenleistungen im Rechenzentrum des Landkreises einher. So könnte es auch heißen: Investieren, um die Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen. Und die liege nach Dr. U. Hubers Worten bei rund 90 Prozent.

Wie wichtig KI-basierte Lösungen im GIS-Umfeld heute bereits sind, das zeigte Thomas Steidle von der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH, kurz KEA. Konkret setzt die KEA bei der Erstellung kommunaler Wärmepläne auch auf das Machine Learning (ML). Im konkreten Fall ging es um die Berechnung der Netzlänge aus Befliegungsdaten und Bildanalysen mittels ML. T. Steidle: „Basierend auf den manuell erstellten Netzen wurde ein Machine-Learning-Algorithmus trainiert.“ Hintergrund ist die Berechnung von Wärmeverteilkosten in Wärmenetzen als wichtigen Baustein in der kommunalen Wärmeplanung. Denn in Baden-Württemberg müssen alle Großen Kreisstädte ab 20.000 Einwohnern bis zum 31. Dezember 2023 einen Wärmeplan vorlegen. Dadurch sollen die Potenziale für erneuerbare und energieeffiziente Wärmenetze ermittelt und gleichzeitig Alternativen für Gasnetze gefunden werden. Hinzu kommt die Beratung von Eigentümern bei Heizungserneuerungen. T. Steidle nennt in seinen Ausführungen die Stadt Zürich mit der dortigen Energieplankarte. Das Ziel liegt dort in der strategischen Planung der Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien. Außerdem gehe es nach T. Steidle um die Zonierung des Stadtgebiets nach wirtschaftlich vorteilhaften Optionen für die zukünftige Wärmeversorgung und Nutzung mithilfe lokaler Ressourcen.

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