Überhaupt ist das große Ziel einer zukünftigen Mobilitätsstrategie nicht wirklich klar erkennbar. Feinstaub, Fahrverbote, teure ÖPNV-Netze, teils schlechte Fahrradnetze, die im Nirgendwo enden. So sieht die Realität in vielen Städten aus. Von den Strukturen in vielen ländlichen Räumen wollen wir an dieser Stelle erst gar nicht anfangen. Aber zurück in die Städte. Das sinnstiftende Verzahnen unterschiedlicher Verkehrsmittel gelingt ebenso wenig, wie die Menschen beim regelmäßigen Feinstaubalarm vom individuellen Autofahren abzuhalten. Das Ganze ist nummerisch leicht abbildbar, denn in zehn Autos sitzen zumeist maximal elf Personen. Die Gründe? Politik, Starrsinn, Bequemlichkeit, mangelnde oder teure Alternativen zum eigenen Pkw, um nur einige Beispiele zu nennen.
Mobilitätswandeln: fehlende Gesamtlösung
Für Prof. Ferdinand Dudenhöffer wiederum liegt der Haken in nationalen Alleingängen. In seinem Buch „Wer kriegt die Kurve?“ bringt es der Automobilexperte auf den Punkt: „Engstirnige nationale Planungen statt einer europäischen Gesamtlösung, etwa bei den Energienetzen, Bahntrassen oder Elektroautoladestationen, spiegeln den Status quo europäischer Infrastruktur.“
Prof. F. Dudenhöffer prangert die seiner Meinung nach gießkannenmäßig verteilten und isolierten nationalen Projekte „aus großen EU-Fördertöpfen“ an. Für ihn steht fest: „Ein Großteil der ‚alten‘ Welt mit ihren Hunderttausenden Arbeitsplätzen steht zur Disposition. Nur wenn wir offen mit dieser kreativen Zerstörung umgehen, können wir bei der Ausgestaltung der neuen Mobilitätswelt eine wichtige Rolle einnehmen“ [2].
Ein wichtiger Punkt, gerade unter dem Aspekt einer scheinbar grenzenlosen Automobilzentriertheit. In dieser oft befahrenen Einbahnstraße in puncto Mobilitätsdenken hat weder die Industrie noch die Politik den U-Turn wirklich vollzogen. Will heißen, hierzulande bis dato nicht in ihrer ganzen Dimension durchdacht oder gar einen umfassenden Mobilitätswandel angestoßen.
Hafencity als Beispiel
Hamburg. Die Stadt ist mit rund 1,8 Millionen Einwohnern die zweitgrößte in Deutschland. Was in anderen Städten nicht gelingt, funktioniert in der Hansestadt hoch im Norden teils besser. Die Rede ist vom S- und U-Bahnfahren, den Fähr- und Busverbindungen, sowie teils gut ausgebauten Fahrradwegen. Warum nur? Ist es die Lage der Stadt? Sind es die Menschen? Bringt Hamburg mehr Ideen sowie Impulse in den ÖPNV und in alternative Verkehrskonzepte? Bei der Beantwortung dieser Fragen scheiden sich sicher die Geister. Dann treten schnell die Stadtplaner, Entwickler und Politiker auf den Plan, sprechen vom Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Das mag sein. Dabei hat auch Hamburg ein zunehmendes Verkehrsproblem.
Ein Blick in die neue Hafencity Hamburgs zeigt indes, wie Stadtentwicklung interpretiert wird und gleichzeitig als Modell zukünftiger Entwicklungen dienen kann. Auf einer Gesamtfläche von 157 ha des ehemaligen Hafen- und Industrieareals entstehen Einrichtungen – von Büros über Wohnungen bis hin zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Die Fläche der Hamburger City wächst durch die neue Hafencity um 40 Prozent. Und in Bezug auf die Mobilitätskonzepte im neuen Stadtteil gehen die Verantwortlichen mit einem eng verbundenen Fuß- und Radwegenetz neue sowie kurze Wege, meist abseits des innerstädtischen Autoverkehrs. Laut eigenen Aussagen ist die Hafencity mit U- und S-Bahn gut zu erreichen. Hinzu kommt, dass beispielsweise im Bereich der östlichen Hafencity nur noch 40 Pkw-Stellplätze pro 100 Wohnungen entstehen.
Ein ausführliches Interview mit Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Hafencity Hamburg, finden Interessenten in der aktuellen Ausgabe der gis.Business 4/2018 ab Seite 13.
„Ein Drittel davon wird zudem Teil eines Carsharing-Systems, das bis 2025 ausschließlich aus Elektromobilen bestehen soll“ – flankiert von neuen und schnellen E-Ladesäulen. Unter der Überschrift: „Nachhaltige Mobilität: attraktiv nicht nur für Fußgänger und Radfahrer“ bewerben die Gestalter der Hafencity denn ein Busverkehrssystem auf Wasserstoffbasis, die eigens eingerichteten Stadtrad-Stationen sowie die Wasserstofftankstelle für Pkw und Busse und eine LNG-(Flüssiggas-)Barge für Kreuzfahrtschiffe, die seit dem Jahr 2015 in Betrieb ist [3].
Stadtradstationen in der Hafencity als Baustein von Smart Mobility (Bild: Bina Engel/Hafencity Hamburg GmbH)
Vom Breitbandausbau und den Hausaufgaben
So schön das genannte Beispiel der Hafencity in Hamburg sein mag. Es gibt noch viel zu tun in puncto zukünftiger Mobilitätslösungen. Ein Manko beim Thema „Smart Mobility“ sind die vielen digitalen Platzhalter, die von der Politik gebetsmühlenartig verbreitet werden. Im neuen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es mit Blick auf intelligente Mobilitätslösungen: „Wir werden die großen Chancen von digitalen Innovationen wie automatisiertes und vernetztes Fahren nutzen. Die Digitalisierung des Verkehrssystems erfordert neben großen Investitionen in die Verkehrstechnik auch den Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnik.
Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Breitbandversorgung aller Verkehrsträger in den kommenden Jahren sichergestellt und dass schnelles mobiles Internet (5G) durch die Telekommunikations-Unternehmen ausgebaut wird“ [4]. Und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, kurz BMVI, liefert folgendes Beispiel: „Die Mobilität hat in den individuellen Lebensbereichen der Menschen stark zugenommen. Wir fahren mit dem ÖPNV, dem Auto oder dem Fahrrad zur Arbeit und reisen mit Flugzeug und Bahn in den Urlaub.“ Der Mehrwert dieser Aussage geht gegen null. Bei allen Nebelkerzen der Politik ist eines fundamental: der im Koalitionsvertrag genannte Breitbandausbau. Ohne ihn können viele der ambitionierten und zugleich smarten Mobilitätskonzepte nicht funktionieren. Im Umkehrschluss heißt das für die Politik: Die Hausaufgaben in der richtigen Reihenfolge erledigen. Oder anders formuliert: Die zukünftige Mobilitätsstrategie sollte nicht zur schönsten Nebensache der Welt werden. Beim Thema Fußball haben wir ja nun erlebt, was dabei rauskommt.
Smart City Solutions: Lösungen für die Stadt von morgen
Städte und die Fortbewegung der Menschen als ein Baustein der Smart City Solutions (Bild: Hinte Messe- und Ausstellungs-GmbH/Intergeo)
Im Rahmen der Smart City Solutions, anlässlich der Intergeo (16. bis 18. Oktober 2018) in Frankfurt am Main, steht der Austausch zu Projekten einer zukunftsweisenden Stadtentwicklung im Mittelpunkt. Die Veranstaltung versteht sich als zentrales Forum, Ausstellung und Kongress und wird unter anderem genährt durch Experten aus den Bereichen Stadtplanung, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor.
Im Fokus stehen die Themenblöcke Smart Governance (Umsetzung, Bürgerbeteiligung, öffentliche Sicherheit, Datensicherheit), Smart Citizens (Bürgertools, Bürgergadgets), Smart Technology (Wirtschaft, Technologie, Kommunikationssysteme, Datenerfassung und Datenanalyse), Smart Living (Nachhaltige und vernetzte Gestaltung von öffentlichen Flächen), Smart Environment (Alternative Energiekonzepte, Nachhaltigkeit, Stadtplanung, Infrastruktur) und Smart Mobility. Im Themenblock der „intelligenten Mobilität“ geht es um einen tieferen Blick auf alternative Mobilitäts- und Transportsysteme, vernetzte Verkehrsinfrastrukturen und autonomes Fahren als Teil moderner Mobilitätsanforderungen. Der kritische Diskurs lenkt den Fokus unter anderem auf zentrale Fragestellungen: Was ist der Status quo im Bereich Smart Mobility? Welche technischen Entwicklungen erwarten die Menschen? Welche Lösungen bieten Unternehmen sowie Städte und worauf zielen die intelligenten Mobilitätslösungen?
Die Redaktion von gis.Business begleitet die Smart City Solutions und dort insbesondere das Themenfeld der intelligenten Mobilität – konstruktiv, kritisch mit einem Blick auf die Chancen aber auch die Risiken.
Weitere Informationen unter: smartcitysolutions.eu
Quellen:
[2] Dudenhöffer, Ferdinand: Wer kriegt die Kurve? Frankfurt am Main 2016, S. 251 – 255
[3] Hafencity Hamburg GmbH: Willkommen in der Stadt des 21. Jahrhunderts. In: Themen Quartiere Projekte, 27. Ausgabe/März 2017, S. 56 – 60.
[4] www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf