Bordbistro geschlossen, nur Kaffee to go, Wagenreihung geändert, Reservierungssystem ausgefallen, Klimaanlage defekt, verspätete Bereitstellung, verspätete Ankunft, Ausstieg links, ich korrigiere: rechts. Zug fällt aus, Streckensperrung, Schienenersatzverkehr. Noch Fragen? Eine klare Antwort: Es läuft nicht rund bei der Deutschen Bahn. Und das seit vielen Jahren. Während das eine oder andere mit einem Augenzwinkern zu verkraften ist, zeigen sich gerade in sensiblen Bereichen massive Defizite beim größten Mobilitätsunternehmen hierzulande, das im Geschäftsjahr 2023 rund 1,8 Milliarden Menschen beförderte. Hinzu kamen rund 198 Millionen Tonnen Güter der DB Cargo.
Vernachlässigte Modernisierung, mehr Bahnkunden
Wer im englischsprachigen Ausland – und hier vor allem in London – schon einmal mit der Bahn fuhr, der wird um den einen oder anderen Warnhinweis „Mind the gap“ nicht herumgekommen sein. Also die Information, auf die Lücke zwischen der Wagentür und dem Bahnsteig zu achten. Diese Warnung gewinnt im übertragenen Sinn und mit Blick auf die hiesigen Bahnverhältnisse eine erweiterte Bedeutung. Denn die Mobilitätslücke zwischen der Deutschen Bahn (DB) und den Erfordernissen der Menschen draußen auf den Bahnsteigen wird seit Jahrzehnten größer. Dieser Gap zeigt sich beispielsweise in Zugverbindungen, deren einzige Zuverlässigkeit in der Unpünktlichkeit und den Ausfällen zu liegen scheint, oder in einer maroden Infrastruktur. Die Gründe? Oft hausgemacht mit einer über Jahrzehnte vernachlässigten Modernisierung der Deutschen-Bahn-(DB-)Infrastruktur. Abhilfe sollen nun umfassende Neubau- und Sanierungsmaßnahmen bringen.
Einen ausführlichen Beitrag mit dem Titel „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“ finden Sie in der Ausgabe 6/2024 der gis.Business.
Wie wichtig diese Maßnahmen sind, verdeutlicht das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Denn das Verkehrsministerium formuliert das Ziel steigender Zahlen bei der Personen- und Güterbeförderung. Auf den BMDV-Seiten heißt es hierzu: „Bis zum Jahr 2030 wollen wir gemeinsam mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen, -verbänden und -gewerkschaften doppelt so viele Bahnkundinnen und Bahnkunden gewinnen und den Anteil des Güterverkehrs auf der umweltfreundlichen Schiene auf mindestens 25 Prozent erhöhen.“
KI, Digitalisierung und BIM
Zu einer zukunftsfähigen Bahn gehören gleichfalls digitale Strukturen und fortschrittliche Lösungen. Diese bewirbt die DB auf ihren Webseiten unter anderem mit einer neuen Mobilität. „Integrierte Konzepte für die Mobilitätswende“ heißt es da und meint unter anderem „Analyse- und Steuerungssysteme“, um beispielsweise bessere Verkehrsanalysen zu ermöglichen. Digitale Plattformen sind ein weiteres Betätigungsfeld, um nicht zuletzt unterschiedliche Mobilitätsangebote miteinander zu verknüpfen. Und wo Fortschritt und Zukunft in einem Atemzug genannt werden, darf aktuell die künstliche Intelligenz (KI) nicht fehlen. So auch bei der Bahn, die in diesem Zuge von „weniger Verspätungen“, einer effizienteren Instandhaltung und „mehr Kundenservice dank KI“ spricht. Mit Blick auf die Instandhaltungsmaßnahmen des Konzerns geht es um visuelle Befundung sowie Wartung. „Ziel dabei ist es, die Kapazitäten in der Instandhaltung durch ein Zusammenspiel von KI und Automatisierungstechnik zu steigern. So soll mithilfe von Kameras bei DB Fernverkehr, DB Regio und DB Cargo die Befundung eines Fahrzeugs anhand automatisierter Bildanalyse stattfinden (…)“. Damit sollen Schäden an Zügen mittels einer „KI-basierten Bildauswertung“ innerhalb weniger Minuten möglich sein. Hierzu passt auch die digitale Instandhaltung. Der DB-Konzern nennt hier in seinem integrierten Bericht 2022 den Roll-out des Systems „iMate“ bei der Unternehmenssparte DB Fernverkehr. Die KI-Lösung ermöglicht eine schnellere Instandhaltung und macht die Materialsuche einfacher. Die Bahn schreibt hierzu: „Durch Abgleich eines Fotos mit einer Bilddatenbank wird das richtige Bauteil schnell und sicher identifiziert.“
Beim Infrastrukturausbau kommt darüber hinaus das Building Information Modeling, kurz BIM, zum Einsatz. Die Deutsche Bahn zum aktuellen und zukünftigen BIM-Einsatz: „Für neu startende Infrastrukturprojekte findet die BIM-Methodik bereits heute regelmäßig Anwendung. Bis Ende 2025 wird die konzeptionelle Entwicklung über alle Phasen des Planens und Bauens abgeschlossen und in den Folgejahren kontinuierlich im Regelbetrieb weiterentwickelt.“ Die Verantwortlichen versprechen sich dadurch eine „Erhöhung der Qualität in Planung, Ausführung und Betrieb von Eisenbahninfrastrukturanlagen“. Die DB sieht BIM zukünftig eingebettet in die Digital-Twin-Vision des Unternehmens. Damit folgt der Konzern einer langfristigen Strategie, wonach „die BIM-Methodik einen wichtigen Input“ leistet, um „den gesamten Anlagenbestand digitalisiert vorhalten zu können“. Ob diese Digitalisierungsbestrebungen fruchten, bleibt abzuwarten. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Bis dahin heißt es: Mind the gap – auch im übertragenen Sinn.