Smart City – Allheilmittel, Modebegriff oder Gefahr?

„Smart City“ ist gerade jetzt zur Intergeo wieder in aller Munde. Doch was ist eigentlich eine Smart City? Ein Modebegriff? Eine Zukunftsvision? Oder doch eher eine Bedrohung? Was zeichnet sie aus?

Stadtplanung im Wandel: Wie verändern Smart-City-Konzepte Infrastrukturen und die Gesellschaft? (Quelle: Fotolia.de – 3dmavr)

Stadtplanung im Wandel: Wie verändern Smart-City-Konzepte Infrastrukturen und die Gesellschaft? (Quelle: Fotolia.de – 3dmavr)


Die aktuelle Definition laut Wikipedia liest sich wie folgt:

„Smart City ist ein Sammelbegriff für gesamtheitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Diese Konzepte beinhalten technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen. Der Begriff findet auch im Stadtmarketing und bei großen Technologiekonzernen Verwendung.“ [1]

Aber wann ist eine Stadt smart? Wenn sie speziell auf erneuerbare Energien setzt? Wenn jede Infrastruktur mit Sensoren vernetzt ist? Wenn technologische Errungenschaften das Leben für die Bürger (vermeintlich) einfacher machen? Wenn sie ein besonders ausgeprägtes Verkehrsnetz betreibt? Wie smart eine Stadt ist, hängt also von vielen Faktoren ab.

Das Fraunhofer-Institut definiert eine Smart City wie folgt: „Die Smart City ist eine informierte, vernetzte, mobile, sichere und nachhaltige Stadt.“ [2]

In unserem Messeheft der gis.Business haben wir Herrn Dr. Dr. Hashem Al Mansoori, Berater und Experte für Smart Citys und Smart Governance in den Vereinigten Arabischen Emiraten, interviewt. Er vertritt die Auffassung, dass eine ‚smarte‘ Stadt moderne Technologien nutzt, „um ihren Bürgern zur richtigen Zeit und am richtigen Ort die richtigen Dienstleistungen wie auch Informationen zur Verfügung zu stellen.“ [3] Das liest sich erst einmal gut, oder?

Urbane Räume aber sind komplexe Organismen, die sich nicht von einem auf den anderen Tag optimieren und effizienter gestalten lassen. Das stellt hohe Anforderungen an die Stadtplaner, schafft aber auch Chancen, nachhaltige, sichere, intelligente Konzepte zu entwickeln. Hierfür werden selbstverständlich auch Geoinformationssysteme benötigt:
„Wie das Blut für unseren Körper, so sind Geoinformationen für eine Smart City unerlässlich, da sie in allen Teilen des öffentlichen Diensts zum Einsatz kommen. Sie vereinfachen die Kommunikation, den Informationsaustausch in Echtzeit, verbessern den Service und sind eine der wesentlichen Säulen, auf denen das Smart-City-Konzept aufbaut“, so Dr. Dr. H. AlMansoori. [3]

Durch die Integration von umfangreichen (Geo-)Informations- und Kommunikationssystemen in die Infrastrukturen einer Stadt soll die Verwaltung flexibler und effizienter werden, die Mobilität intelligenter und die Umgebung sicherer.

Eine effizientere Stadt, die auf erneuerbare Energien setzt, vor Ort nachhaltig produziert und damit Jobs schafft, die sicherer ist und deren Einwohner glücklicher sind? Klingt super!

Oder ist eine smarte Stadt doch eher eine Gefahr – vor allem durch die Möglichkeit der Überwachung durch Kameras und Sensoren bzw. dem Missbrauch dieser Technologien?

„Die hochentwickelte Smart City kann ein Internet of Things and Services sein: Die gesamte städtische Umgebung ist dabei mit Sensoren versehen, die sämtliche erfassten Daten in der Cloud verfügbar machen. So entsteht eine permanente Interaktion zwischen Stadtbewohnern und der sie umgebenden Technologie. Die Stadtbewohner werden so Teil der technischen Infrastruktur einer Stadt.“ [4]

Aber wie sieht es dann mit dem Datenschutz aus? Nicht erst seit der Snowden-Enthüllung haben Menschen Angst vor der Massenüberwachung. Und welche Probleme drohen, wenn in der Cloud beispielsweise das eigene Energieverbrauchsverhalten zuhause überwacht und gespeichert wird und damit auch erkennbar wird, wann man nicht zuhause ist? Was, wenn diese Informationen in die falschen Hände gelangen?

Dr. Dr. H. AlMansoori kennt die Bedenken der Bevölkerung in Bezug auf die Datensicherheit und hat dafür in seinem Konzept ein Modell dreistufiger technischer Sicherheitsbestimmungen vorgesehen, die sich sowohl auf die Hard- und Software als auch das Netzwerk beziehen. Damit soll Datenmissbrauch verhindert werden.

Aber  vielleicht liegt es auch daran, dass Experten, wie Dr. Dr. H. AlMansoori, die größte Herausforderung in der Etablierung einer Smart City im Faktor Mensch sehen, durch „[…] die fehlende Unterstützung nebst der Bereitschaft der Bevölkerung, sich auf die neue Denkweise einzulassen, sowie der Widerstand gegen Veränderungen. Um eine Smart City zu etablieren, bedarf es Bürgern, die kreativ, flexibel, sozial heterogen und vernetzt sind.“ [3]

In einer Smart City sollen die Menschen aktiv mitgestalten und mitentscheiden. Sie werden mithilfe von Sensoren und Apps zum Melden von Problemen Teil der Infrastruktur, tragen zur Energieeffizienz durch die Wahl ihrer Transportmittel und Solaranlagen auf ihrem Dächern bei und vernetzen sich untereinander und mit der Stadt, um Informationen auszutauschen.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat zur Stadt der Zukunft ein schönes Video unter www.morgenstadt.de/de/morgenstadt-initiative.html bereitgestellt – schauen Sie doch einmal rein.

Aber all das ist keine reine Zukunftsvision mehr: Bereits jetzt können wir mithilfe von Tools wie dem Mängelmelder unserer Stadt mitteilen, welche Straßenlaterne nicht funktioniert oder wo ein Mülleimer fehlt. Schon jetzt nutzen wir Apps, um die Spritpreise in unserer Umgebung zu vergleichen, nach gut bewerteten Restaurants zu suchen oder nach freien Parkplätzen. Wir speichern Termine in der Cloud, um sie auf verschiedenen Endgeräten stets parat zu haben. Wir zeichnen unsere Wanderungen auf, um die Wege anschließend bei OpenStreetMap einzuzeichnen. Und schon jetzt haben  wir die Möglichkeit, zuhause ein Hausnotruf-System in Betrieb zu nehmen, das mit einem Knopfdruck medizinische Hilfe ruft. All das ist bereits smart, wenn auch zumeist dezentral organisiert  – und würden wir darauf verzichten wollen?

Was denken Sie zum diesem Thema? Ich freue mich auf Ihre Kommentare!

Ihre Annika-Nicole Wohlleber


Quellen:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Smart_City
[2] http://www.ict-smart-cities-center.com/
[3] gis.Business Heft 4/2015, Seiten 32-37 (PDF)
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Smart_City