Andreas Eicher

Der Wert des Wassers

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller wird auf den Seiten seines Ministeriums mit den Worten zitiert: „Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Leben in Würde. Und: Der Starke hilft dem Schwachen. In diesem Sinne müssen wir grundsätzlich umdenken in Wirtschaft, Gesellschaft und Konsum, um die großen Herausforderungen wie den Klimaschutz, die Welternährung und eine gerechte Globalisierung zu meistern.“ Große Worte mit kleiner Wirkung. Denn das Recht auf ein würdevolles Leben ist längst nicht verbrieft. Ein Beispiel ist der Kampf um den Zugang zu sauberem Wasser. Ein weltweites Grundrecht? Mitnichten, wie der alljährliche Weltwassertag im März zeigt. Der stand in diesem Jahr unter dem Motto: „Valuing Water“ – „Wert des Wassers“.

Wasser und das Recht auf ein Leben in Würde. Bild: UN Photo (Logan Abassi)

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, kurz BMU, schreibt hierzu: „Mit diesem Jahresthema wollen die VN (Vereinten Nationen, Anm. d. Red.) Menschen dazu aufrufen, sich Gedanken über die lebenswichtige Bedeutung von Wasser und seinen Wert zu machen. Dies geht weit über den finanziellen Gesichtspunkt hinaus und umfasst auch den ökologischen, sozialen sowie kulturellen Wert von Wasser.“ Dass dieser ökologische, soziale und kulturelle Wert von Wasser keinesfalls gesichert ist, das zeigt sich exemplarisch nicht nur auf dem afrikanischen Kontinent.

Hygienebedürfnis in Hamburg

Hamburg im Februar 2021. Es ist nasskalt. In unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs steht ein bunter Bus. Der vermittelt schon von Weitem das Gefühl von Lebensfreude dank seiner farbenfrohen Bemalung in Blau, Gelb, Orange und Rot. Auf dem Bus steht in großen Buchstaben „Go Banyo“ und etwas kleiner darüber „Der Duschbus“. Der umgebaute Linienbus steht regelmäßig an unterschiedlichen Plätzen in Hamburg und bietet obdachlosen Menschen die Möglichkeit, sich kostenlos zu duschen. Die Organisatoren weisen auf ihren Seiten darauf hin: „Jeder Mensch hat das Recht, sich zu waschen. Aber nicht jeder bekommt die Chance dazu.“ Und damit sind wir wieder beim Einstieg in diesen Beitrag und dem „Recht auf ein Leben in Würde“. Das ist auch hierzulande nicht verbrieft: „Obdachlose haben keine Duschen. Genau wie alle anderen haben sie aber ein Hygienebedu?rfnis. Sie können es sich nur nicht leisten. Auch in Deutschland nicht. Und auch in Hamburg nicht“, so die Go-Banyo-Macher. Damit zeigt sich selbst in einem reichen Land wie Deutschland, dass ein Grundbedürfnis und Recht auf Hygiene nicht selbstverständlich sind. Und das in Laufweite zu den teils schicken Kontorhäusern Hamburgs oder zur stylishen Hafencity.


Sie bringen ein Stück des Rechts auf ein Leben in Würde zu den Menschen ohne Obdach, die Macher von „Go Banyo“. Bild: Andreas Eicher

Mosambiks erschwerter Zugang zu sauberem Wasser

Für manche mag dieser triste Einschub deutscher „Ungründlichkeit“ nur eine Bagatelle darstellen. Eine Kleinigkeit mit Blick auf die großen Herausforderungen, vor denen beispielsweise viele afrikanische Länder mit ihren Wasserproblemen stehen. Eines dieser Länder ist Mosambik. In dem ostafrikanischen Land kämpfen die meisten der rund 30 Millionen Einwohner täglich um sauberes Wasser. Laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist Mosambik immer wieder von extremen Wetterereignissen wie Überschwemmungen, Dürren und Zyklonen betroffen. „2016 erlebte das Land infolge des Klimaphänomens El Niño die schwerste Dürre seit Jahrzehnten. Experten gehen davon aus, dass Mosambik vom Klimawandel stark betroffen sein wird“, so das BMZ auf seinen Internetseiten. Und nicht nur das. Laut der Hilfsorganisation Unicef haben 88 Prozent der Landbevölkerung und 53 Prozent der Menschen in Städten und stadtnahen Gebieten über keine ausreichenden sanitären Einrichtungen (Stand 2017). Erschwert wird der Zugang zu sauberem Wasser auf dem Land vor allem dadurch, dass nach Aussagen der Weltbank eine große Anzahl bestehender ländlicher Wasserversorgungssysteme während des Bürgerkriegs beschädigt oder zerstört wurden. Hinzu kommen nach Unicef-Angaben die fehlende systematische Wartung bestehender Anlagen und geringe Investitionen in den Ausbau der notwendigen Infrastruktur.

Nun ist Mosambik das Paradebeispiel eines über Jahrhunderte ausgebeuteten Landes, bevor es 1975 von Portugal in die „Unabhängigkeit“ entlassen wurde. Unabhängig deshalb in Anführungszeichen, weil das Land auch nach der vermeintlichen Freiheit von den ehemaligen Kolonialherren ein Spielball rivalisierender Länder und Guerilla-Gruppen um Macht und Einfluss blieb. Und so wiederholte sich die Geschichte vieler ehemaliger Überseegebiete in einer postkolonialen Ära – gezeichnet von Bürgerkrieg, Vertreibung und Tod, samt einer völlig zerstörten Infrastruktur. Diese aufzubauen und die Menschen mit sauberem Wasser zu versorgen ist eine der dringlichsten Aufgaben. Und damit schließt sich der Kreis für dieses Land, wie für so viele andere. Die Abhängigkeiten von ausländischen Geldgebern bestehen und werden größer. Denn der Kampf um Ressourcen weniger geopolitischer Akteure ist unverkennbar. Ein Fakt, dem sich Mosambik nicht entziehen kann. Vielmehr ist das Land auf die Unterstützung fremder Regierungen und deren Aufbaupläne angewiesen – inklusive der sich im jeweiligen Schlepptau befindlichen Institutionen und Unternehmen.

Frühwarnsystem, App und Drohnen

Um Mosambik mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen und gleichzeitig das Risiko von Überschwemmungen und Dürren zu minimieren, sind eine Vielzahl von (koordinierenden) Maßnahmen im Umfeld des Wasserressourcenmanagements notwendig. So konnte beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in einem Projekt „das Nationale Institut für das Katastrophenmanagement (Instituto Nacional de Gestão de Calamidades, INGC) bei der Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts und der Ausarbeitung von Ausführungsbestimmungen für das nationale Frühwarnsystem“ unterstützen. Dabei stand unter anderem der Aufbau von Frühwarnsystemen gegen Überschwemmungen mit Beteiligung der lokalen Bevölkerung im Mittelpunkt. Laut GIZ konnte im Rahmen des Projekts „ein Komitee für das Wassereinzugsgebiet des Buzi gesetzlich verankert werden“. In dieser Institution sind wichtige Entscheidungsträger und Wassernutzer eingebunden. „Mit diesem Komitee wurden bereits verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung des Wassermanagements entwickelt und umgesetzt.“


Einen ausführlichen Beitrag zum Thema „Mosambik: wenig Essen, viel schmutziges Wasser“ finden Sie in der gis.Business 2/2021


In einem weiteren Vorhaben bauten Forscher des Data Innovation Fund (DIF) der Weltbank eine experimentelle Plattform (HydroPC) auf, die speziell die Vorhersage von Überschwemmungen und Dürren analysiert. Die HydroPC-Plattform verfügt zudem über vier interaktive Anwendungen für die Bereiche Wasservorkommen, Kanaldynamik, Niederschlagsüberwachung und zur Überwachung von Stauseen.

Diese sind in Google Earth Engine (GEE) implementiert. Nach Aussagen eines Weltbank-Berichts verwendet die HydroPC-Plattform globale Datensätze von GEE und lokale Daten, wie beispielsweise Wasserstände von Stauseen. Außerdem wurden sowohl offizielle als auch nichtoffizielle hydrologische Daten einbezogen. Das Projekt zielte unter anderem darauf ab, eine nachhaltige Entwicklung in Bezug auf sauberes Wasser und die Sanitärversorgung zu erreichen. Im Ergebnis kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die HydroPC-Plattform den Behörden in Mosambik helfen könnte, Auswertungsberichte über hydrologische Ereignisse oder vorausschauende Bewertungen der bevorstehenden Regen- oder Trockenzeit zu erstellen.

Mit Drohnen den Überschwemmungsrisiken auf der Spur. Bild: stock.adobe.com (momius)

Im „Licungo River Drone Project“ wiederum wurde im Jahr 2019 mithilfe des Einsatzes von Unmanned-Aerial-Vehicle-(UAV-)Technologie ein Gebiet von über 158 km² beflogen. Ziel war es, die Überschwemmungsrisiken zu reduzieren – bei einer gleichzeitigen Verbesserung der Notfallplanung. Hierzu wurde im Rahmen einer dreiwöchigen UAV-Befliegung das Wassereinzugsgebiet des zentralen Licungo-Flusses des Landes kartiert.

Auf Basis der Drohnenbilder des Licungo-Flusses entstand unter anderem ein Orthomosaik sowie ein digitales Höhen- und Oberflächenmodell. Gefördert wurde das Vorhaben vom Europäischen Amt für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) zusammen mit dem Nationalen Institut für Katastrophenmanagement (INGC) der mosambikanischen Regierung. Nach Ansicht der Projektverantwortlichen war die Befliegung wichtig, um detaillierte Standorte von Gebäudegrundrissen zu identifizieren und zu digitalisieren. Diese Daten können für eine Gefahrenanalyse verwendet werden.

Ob diese Bemühungen in einem nachhaltigen Wasserressourcen- und Katastrophenmanagement münden, ist zumindest mit einem großen Fragezeichen zu versehen. Oder wie es die Analyse: „An Economic Analysis of Natural Resources Sustainability in Mozambique“ der Weltbank umreißt: „Der Einsatz von Instrumenten, die sich in anderen Ländern bewährt haben, ist keine Garantie dafür, dass sie auch in Mosambik erfolgreich sind.“ So braucht es wohl noch lange Zeit die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft. Hoffentlich nicht im neuen Kolonialstil des wenig Gebens und viel Nehmens, sondern partnerschaftlich, mit Augenmaß und Geduld. Vokabeln, die viele Machtpolitiker in den vergangenen Jahrhunderten mit Blick auf Mosambik wohl nicht kannten.