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3D-Stadtmodelle, Wind und Positionierung

In den letzten Wochen blickten wir bereits ausführlich in unseren Nachberichten (Teil eins und Teil zwei) auf die vergangene Münchner GI-Runde 2023. Es zeigte sich unter anderem, wie wichtig Datenräume sowie -ströme sind und welchen Stellenwert die XPlanung, aber auch digitale Zwillinge im städtischen Kontext haben. Doch damit nicht genug des Rückblicks. In diesem Teil unserer vierteiligen Serie schauen wir beispielsweise auf 3D-Stadtmodelle und darauf, wie die Positionierung und Mobilitätsfragen die Geo-IT-Community beschäftigen.

Ein Thema der letzten Münchner GI-Runde im März 2023 handelte von der Windkraft im Kleinen wie im Großen. Bild: stock.adobe.com (damianobuffo)

Das parallele Wissenschaftsforum zur Dekarbonisierung durch erneuerbare Energien kann im Grunde als Fortführung der angesprochenen Nachhaltigkeitsthemen und den damit zusammenhängenden Herausforderungen verstanden werden. Sei es die Lebenszyklusanalyse kommunaler Gebäudebestände und dem Fokus auf die Klimaneutralität. Ein Thema, vorgetragen von Dr. Hannes Harter, Norwegian University of Science and Technology. Da es bis dato keine Methoden und Tools zur Lebenszyklusanalyse (LCA) der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) für große Wohngebäudebestände gab, wagte sich Dr. H. Harter an diese „Forschungslücke“. Hierzu entwickelte er ein Softwaretool namens „urbi+“ (in Java implementiert) auf der Basis semantischer 3D-Stadtmodelle in CityGML. Der Fokus lag auf der technischen Gebäudeausrüstung sowie der Gebäudenutzungsphase. Mithilfe des Tools konnte Dr. H. Harter unter anderem den Wohngebäudebestand Münchens berechnen und auswerten – immerhin rund 115.000 Wohngebäude. Die Machbarkeit des Sanierungsbedarfs Münchner Wohngebäude auf dem Weg zur Klimaneutralität sieht Dr. H. Harter skeptisch. Vor allem hinsichtlich der Klimaneutralitätskampagne der Stadt, die in ihren Zielen bis 2035 erreicht werden sollen.

3D-Stadtmodelle und die Windkraft

Um im Gebäudebereich das hochgesteckte Klimaneutralitätsziel zu erreichen, bräuchte die Landeshauptstadt eine jährliche Sanierungsquote von 6,7 Prozent, was 7.687 Gebäude pro Jahr bedeutet. Nicht zu vergessen die enormen Kosten. So betragen alleine die jährlichen Steigerungen der Energie- und Emissionskosten fünf Prozent sowie zwei Prozent für die Baukosten. Zusammengefasst könnte es heißen: zu langsam und zu teuer. Dr. H. Harter möchte die Hoffnung nicht aufgeben, wenn er sagt: „Eine klimaneutrale Stadt beginnt dort, wo tiefgreifende und zukunftsweisende Konzepte erarbeitet, berechnet, analysiert und optimiert werden sowie lebenszyklusbasierte Betrachtungen und Bewertungen Eingang in sozialpolitische und planerische Gremien finden.“ 3D-Stadtmodelle waren auch die Basis zweier weiterer Vorträge in diesem Wissenschaftsforum. So beschäftigte sich Bruno Willenborg, Technische Universität München (TUM), mit der großmaßstäblichen Solarpotenzialanalyse, mit semantischen 3D-Stadtmodellen in der Cloud und KI-basierter Dachaufbautenerkennung.

In einer abschließenden Präsentation stellte Prof. Volker Coors von der Hochschule für Technik Stuttgart das Projekt „Windy Cities“ vor. Dahinter steht eine Methode zur Potenzialanalyse von Kleinwindkraftanlagen in urbanen Räumen auf Basis von 3D-Stadtmodellen. Die Idee von Windy Cities: Der Einsatz von Kleinwindanlagen zur lokalen sowie dezentralen Stromerzeugung, vorgestellt am Beispiel des Stuttgarter Stadtteils Stöckach. Hierzu erfolgte eine integrierte Betrachtung von Strom aus Windturbinen und der Fotovoltaik mit dem Ergebnis, dass generell nur geringe Windgeschwindigkeiten herrschen. Demgegenüber erzeugt die Fotovoltaik mit vergleichbarer Kapazität das zwei- bis dreifache an Strommenge – nur zu anderen Zeiten.

Die Windenergie spielte auch im Rahmen des Praxisforums 3D eine Rolle. Genauer im Bereich: „3D-Unterstützung der regionalen Umsetzung des Wind-an-Land-Gesetzes im ländlichen Raum“. So lautete der Vortrag von Dr. Ulrich Huber vom Landkreis Cham. Das „Wind-an-Land-Gesetz“ soll laut Bundesregierung die Windenergie in Deutschland deutlich schneller voranbringen. Für bayerische Kommunen heißt das am 1. Februar 2023 in Kraft getretene Gesetz exemplarisch, dass 18 regionale Planungsverbände dafür verantwortlich sind. Dr. U. Huber führt für Bayern auf, dass bis 2027 1,1 Prozent der Landesfläche und bis Ende 2032 1,8 Prozent für Windkraftgebiete zu belegen seien. Dr. U. Huber: „Das bedeutet, bis dahin muss bei uns etwa zweieinhalbmal so viel Platz für Windräder reserviert werden wie bisher.“ Hieraus ergeben sich große Eingriffe in die bisherigen Siedlungspuffer, die sich auf kleinere Radien reduzieren, sowie in den Landschafts- und Naturschutz, die spürbar in den Hintergrund treten. Nach Dr. U. Hubers Dafürhalten brauche es zur Akzeptanzbildung seriöse Prognosen der räumlichen Auswirkungen. Gleichzeitig sieht er die Notwendigkeit realitätsnaher Visualisierungen mithilfe von Geoinformationssystemen als unerlässlich an.

In diesem Zuge können aktuelle Trends in der 3D-Datenerfassung und -verarbeitung einen Mehrwert bieten. Ein Trend, der sich nach den Worten von Dr. Uwe Bacher, Lead Specialist Photogrammetry, Hybrid Sensor Systems – Hexagon Geosystems Division, beispielsweise in Feedbackschleifen zur digitalen Realität zeigt. Hierbei steht das proaktive und vorausschauende Handeln im Mittelpunkt – ausgehend von der realen Welt zum digitalen Zwilling und wieder zurück. Dr. U. Bacher: „In der praktischen Umsetzung wird der digitale Zwilling ein zentraler Knotenpunkt sein, der alle Datenströme verbindet und die verschiedenen Informationsquellen zusammenführt“. Und auch der Vortrag von Christof Beil, Lehrstuhl für Geoinformatik an der TUM, nahm auf digitale Zwillinge im Kontext der Erschließung des Straßenraums Bezug. Hintergrund ist unter anderem die zunehmende Bedeutung von detaillierten räumlich-semantischen 3D- und 4D-Repräsentationen des Straßenraums. Dabei bilde laut C. Beil die Repräsentation des Straßenraums als Bestandteil eines standardisierten und konsistenten semantischen 3D- Stadtmodells die Grundlage für zahlreiche Anwendungen. In diesem Umfeld bietet sich die neue Version 3.0 von CityGML an, denn die Stärken liegen beispielsweise in georeferenzierten 3D-Geometrien, der verbesserten Modellstrukturierung, aber auch in den topologischen Informationen sowie den Visualisierungsmöglichkeiten. C. Beil verweist in diesem Zusammenhang auf den neuen Leitfaden zum CityGML V3 Transportation Modul, der online frei zugänglich ist. Dank CityGML sei es seiner Meinung nach möglich, ein konsistentes, integriertes und vollständiges 3D-Stadtmodell zu erstellen. Zu den Anwendungsfeldern nennt C. Beil unter anderem die Infrastrukturplanung und das Management, Mobilitätslösungen wie Verkehrssimulationen oder Sichtbarkeitsanalysen.

Indoor, Outdoor und Roboter

Mit Sichtbarkeit hatte auch der Themenblock zum Wissenschaftsforum rund um die Positionierung (Indoor und Outdoor) zu tun. Prof. Thomas H. Kolbe von der TUM nannte in seiner Anmoderation die Positionierung ein Dauerbrennerthema. Bei der Modellerstellung müsse man genau wissen, wo man sei. Passend dazu der Vortrag von Prof. Urs Hugentobler, Lehrstuhl für Astronomische & Physikalische Geodäsie, TUM, der seinen Titel „Precise Point Positioning“ (PPP) um die Frage ergänzte: Wo stehen wir? Prof. U. Hugentobler stellte PPP der Netzwerklösung gegenüber und unterstrich unter anderem die Positioniergenauigkeit, die beim PPP im Zentimeterbereich liege. Zudem sei die Lösung global verfügbar, wobei PPP präzise Bahn-, Uhren- und Bias-Produkte erfordere. Zu den Vorteilen zähle nach Prof. U. Hugentoblers Dafürhalten beispielsweise die logistisch einfache Handhabung, die frei verfügbaren Produkte (auch in Echtzeit), aber auch, dass es keinen Datenaustausch mit anderen Empfängern bedürfe. Allerdings: Wo Vorteile, da sind auch Nachteile. Hier nennt der Satellitengeodäsie-Experte die Erfordernisse präziser Produkte, insbesondere exakte Uhrkorrekturen sowie die Tatsache, dass Fehlerquellen präzise modelliert werden müssten. Die Indoor-Positionierung stand im Fokus der Ausführungen von Prof. Jörg Blankenbach, Geodätisches Institut und Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme der RWTH Aachen University. Mit der Indoor-Positioning sind automatische Positionsbestimmung von Personen oder Objekten im Innenraum oder überbauten Arealen möglich. Davon ausgehend bieten sich laut Prof. J. Blankenbach zahlreiche Anwendungsfelder. Hierzu zählt neben der Fußgängernavigation die Waren- und Objektverfolgung oder die Fahrzeug- und Roboterlokalisierung. Im Grunde könnten nach seiner Ansicht viele Lokalisierungsanwendungen aus dem Außenbereich auch in den Indoor-Bereich übertragen werden. Zu den Herausforderungen im Innenbereich nennt Prof. J. Blankenbach neben Problemen durch Signaldämpfung auch Störungen und bezeichnet den Innenbereich als eine „positionierungsfeindliche“ Umgebung. Um die Indoor-Positionierung dennoch umzusetzen, bieten sich verschiedenen Technologien an – von Bluetooth über WLAN bis Mobilfunk. Damit bestünde nach Prof. J. Blankenbach kein „Goldstandard“ und vergleicht die Indoor-Positionierung mit „GNSS für den Außenbereich“. Vielmehr kommt es auf die Anforderungen im jeweiligen Anwendungsfall an. Hierbei spielen neben den Nutzern die Genauigkeit und Auflösung, aber auch die Frequenz und letztendlich die Kosten eine Rolle. Mit Blick auf Sensoren spricht er von Smartphones als Multisensorsysteme und nennt neben der steigenden Rechenleistung der zunehmende Einsatz maschineller Lernverfahren als ein Argument einer sich ständig weiterentwickelnden Technologie. Den Abschluss dieses Wissenschaftsforums bildete ein Vortrag von Dr. Dirk Schulz, Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) zur Roboterlokalisierung.

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