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XPlanung und digitale Zwillinge

Im ersten Teil unseres Nachberichts zur Münchner GI-Runde 2023 blickten wir unter anderem auf die Datenräume sowie -ströme und darauf, dass besagte Datenräume einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert für Geodateninfrastrukturen haben können. Wir endeten mit dem Unternehmen Wetransform und starten mit selbigem im zweiten Teil.

Der praktische Nutzen von digitalen Zwillingen zeigte sich im Rahmen der Münchner GI-Runde 2023. Bild: stock.adobe.com (wladimir1804)

Wetransform vermittelte ebenfalls in einem parallelen Innovationsforum sein Wissen. Dort referierte Christopher Hönn zu XPlanung und den Herausforderungen in der kommunalen Bauleitplanung. Auch in diesem Umfeld wird deutlich, dass gesetzliche Regelungen zur verbindlichen Umsetzung der Beschlüsse des IT-Planungsrats auf Länderebene „löchrig“ ist, wie es C. Hönn nennt. Das zeigt sich seiner Ansicht nach auch in einem unterschiedlichen Engagement innerhalb der Länder bei der Koordinierung und Unterstützung in der kommunalen Bauleitplanung. Als Vorreiter in diesem Umfeld sieht C. Hönn Baden-Württemberg, wo bereits 120.000 Bauleitpläne verfügbar seien – davon 66 Prozent online und 99 Prozent teil-vektoriell. In einem weiteren Vortrag stand die Frage der Innovation der digitalen Bauleitplanung mittels XPlanung im Vordergrund.

Steffen Freiberg von der IP Syscon GmbH hierzu: „XPlanung ist eine große Innovation, gerade in dem Bereich, wo es jahrelang am dringlichsten vermisst wurde.“ Für S. Freiberg heißt das in den Stadtplanungsämtern und den Bauämtern, wo man diese Daten brauche, um zukunftsfähig zu planen und zu entwickeln. Dort habe man nach seinen Worten mit XPlanung einen großen Schritt nach vorne getan. Damit nicht genug in diesem Forum. Die weiteren Themen: Der neue deutschlandweite 3D-Gebäudeinformationsdienst der con terra GmbH, GI-Fernstudien in Zeiten von ChatGPT (Universität Salzburg) sowie VertiGIS und dem „VertiGIS Studio aus einem Guss“. Nicht zu vergessen Dr. Klaus Brand, GI Geoinformatik GmbH, und seine Ausführungen zur GI-Foto-App − eine GIS-basierte Fotodokumentation zur Unterstützung von Fördermittelanträgen in der Landwirtschaft. Laut Dr. K. Brand sei die App in Niedersachsen unter dem Namen „FANi“ (Fotos Agrarförderung Niedersachsen) im Einsatz als auch in Nordrhein-Westfalen. Dort unter dem Namen „Monitoringapp Nordrhein-Westfalen“, kurz MonaNRW. Ein weiterer Blick galt der Energiewende. Hierzu präsentierte Markus Muerth, M.O.S.S. GmbH, die Wind- und Solarparkplanung im Web-GIS. Oder „Mobility Data Space – Daten für neue Mobilitätslösungen“, vorgestellt von Dr. Andreas Heindl, Acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Und auch der digitale Zwilling kam im Innovationsforum zur Sprache. Genauer: „Der Weg zum Digital Twin – 3D-Meshes erheben mit Drone2Map“ (Esri Deutschland GmbH).

Digitale Zwillinge in der Praxis: von Nord ...

Der „urbane digitale Zwilling“ stand gleichfalls in einem Praxisforum im Zentrum der Betrachtungen. Von Nord nach Süd teilten Verantwortliche der Städte Hamburg und München ihre Erfahrungen rund um den Einsatz digitaler Zwillinge. Thomas Eichhorn, CEO Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung der Freien und Hansestadt Hamburg, sieht die Verbindung zwischen der Geodateninfrastruktur und dem digitalen Zwilling als wichtig an. „Wir glauben, dass das nur im Zusammenhang geht“, so T. Eichhorn. Seiner Meinung nach könne die ganze Smart-City- und Digital-Twin-Entwicklung nicht einfach nebenher zu den jahrelangen Aktivitäten der Geodateninfrastruktur und den Zielen verlaufen. Diese Gesamtsicht ist ihm wichtig, denn im Grunde zählt Hamburg zu den Vorreiterstädten im Umgang mit dem urbanen digitalen Zwilling. So verfügt Hamburg bereits seit längerer Zeit über die technische Infrastruktur in Form einer Urban-Data-Plattform, den fachlichen Netzwerken und Strukturen, aber auch Basis- und Fachdaten. Letztere in Form von statischen sowie dynamischen Daten oder einem Mix aus beiden – unter anderem bei Straßennetzen. CEO T. Eichhorn verweist in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Ladesäuleninfrastruktur für Elektroautos (E-Autos) Hamburgs. Mittlerweile verfügt die Stadt über 400 Ladestationen mit mehr als 1.000 Ladepunkte. Wichtig sind in diesem Umfeld Echtzeitdaten über Sensoren. Denn es geht auch darum, Informationen über Ladestationen in Echtzeit verfügbar zu machen. Dies helfe nach seinen Worten, den Ladesäulensuchverkehr und letztendlich den Autoverkehr in Gänze innerhalb der Stadt zu reduzieren.

Ein weiterer Punkt, der in vielen Städten und Kommunen immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist das Thema der Bürgerbeteiligung. Auch in diesem Umfeld können digitale Daten helfen, den Entscheidungsfindungsprozess im Austausch mit den Bürgern zu verbessern. Als Beispiel nennt T. Eichhorn die Hamburger „Stadtrad-Stationsplanung“. Ein Beteiligungsprojekt, bei dem die Menschen in Hamburg im Jahr 2018 mit über 4.100 Klicks mehr als 2.100 verschiedene Standortvorschläge machten, die anschließend bewertet wurden. Für T. Eichhorn bedeutet die Urban-Data-Plattform Hamburgs das „System der Systeme“. Für die Hamburger Entscheider steht dahinter ein Konzept, was auch auf den digitalen Zwilling übertragbar ist und vielfältige Bereiche der Stadt integriert – von der Umwelt und dem Verkehr bis zu den Bürgern und der Wirtschaft. Der bisher in der Freien und Hansestadt Hamburg eingeschlagene Weg des Erzeugens digitaler Zwillinge ist für T. Eichhorn nur ein Etappenziel. Oder wie er es formuliert: „Wir sind auf dem Weg.“ Das heißt nach seinen Worten auch am Reifegrad der digitalen Zwillinge zu arbeiten, inhaltlich, technologisch sowie semantisch.

... nach Süd

Auch rund 700 Kilometer weiter südlich setzen Verantwortliche seit Jahren auf den digitalen Zwilling. Die Rede ist von München. Die Vision und die Idee des Ökosystems der Landeshauptstadt umschreibt Markus Mohl, GeodatenService München, wie folgt: „Der digitale Zwilling ist das digitale Herzstück der Zukunftsstadt München. Damit kann den Herausforderungen der Smart City München mit innovativen Lösungen begegnet werden.“ Und er fügt hinzu: „Die Urban Data Platform ist die zentrale Datendrehscheibe des digitalen Zwillings. Mit ihr werden ehemals separierte Insellösungen zu einem gemeinsamen Ökosystem der Stadt vernetzt.“ Im Zentrum der Betrachtungen stehen für München Zukunftsthemen wie etwa der Klimaschutz, die Mobilität, aber auch eine integrierte Stadtentwicklung. Wichtige Themen, die sich mithilfe eines digitalen Zwillings zukunftsfähig gestalten lassen. M. Mohl spricht in diesen Zusammenhang auch vom digitalen Zwilling als einem wichtigen Baustein, um die gesteckten Nachhaltigkeitsziele auf Grundlage der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen zu erreichen. Neben der Entwicklung muss es dabei auch um eine Verstetigung gehen. Hierzu braucht es Beschlüsse, wie etwa der des Münchner Stadtrats zur Zielerreichung der Klimaneutralität und eine daraus abgeleitete Strategie. M. Mohl hierzu: „Der digitale Zwilling München ist die digitale Infrastruktur der klimaneutralen Stadt.“ Auf dem weiteren Weg zur Klimaneutralität setzt die Stadt München unter anderem auf das Projekt „ASCEND“. Dahinter verbirgt sich das Vorhaben „Accelarate Smart and Clean Energy Districts“, gefördert von der Europäischen Union (EU), das im Februar 2023 als Nachfolgeprojekt von „Smarter Together“ startete.

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