Wissenschaft & Forschung

Austausch mit dem Weltall

„Cosmic Sense“ - kosmische Strahlung soll Aufschluss über Bodenfeuchtigkeit und Entwicklungen geben.

Die Wärmekamera erkennt nicht nur Kühe, sondern auch, wo der Boden besonders warm ist. Rosa zeigt die gemähte Wiese, dunkellila die nicht gemähte Wiese. Bild: FG Geoinformation in der Umweltplanung

Der Bauernkalender ist heute keine belastbare Quelle mehr für die Produktionsbedingungen in der modernen Landwirtschaft. Drohende Hochwasser oder Trockenperioden zuverlässig vorherzusagen ist eine noch unbewältigte Herausforderung auch für die Wissenschaft. Eine wesentliche Rolle im Klima-Geschehen spielt der Wasseraustausch zwischen Boden und Atmosphäre.

Um darüber nähere Erkenntnisse zu gewinnen, haben Forscher von sieben Universitäten und Helmholtz-Einrichtungen aus ganz Deutschland im Sommer 2019 bei Peißenberg im Ost-Allgäu ein temporäres Observatorium aufgebaut, um weltweit zum ersten Mal in einem interdisziplinären Cluster mehr als 20 Neutronensonden im Dienste der Klimaforschung zusammenzulegen. Dessen Daten werden nun ausgewertet. In dem Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Cosmic Sense“ leitet die TU Berlin mit dem Fachgebiet Geoinformation in der Umweltplanung die Forschungseinheit „Fernerkundung“.

Interessant sind für die „Cosmic Sense“-Forscher nicht vorrangig Niederschlag und Temperatur. Mit speziellen Sensoren sammeln sie Daten über die kosmische Strahlung, die permanent aus dem Weltall auf die Erde trifft, in sie eindringt und schließlich Aufschluss über die sich wandelnde Feuchtigkeit im Boden gibt. Daraus wollen sie anschließend Prognosen über Klimageschehen wie drohende Hochwasser, Trocken- und Dürreperioden ableiten.

Messungen mit speziellen Neutronensonden und Drohnen

Wasser ist die treibende Größe, es ist zentral für die Klimaveränderungen auf der Erde. Es ist ständig in Bewegung, in Boden, Luft, in Pflanzen, Tieren und Menschen. Man wolle im Projekt zum einen Muster in der Wasserverteilung im Untersuchungsgebiet erkennen, die für den durchwurzelten Boden repräsentativ sind, auch wenn sie sich durch Austrocknung und Niederschläge laufend ändern. Zum anderen erwarte man nach einer großflächigen Berechnung der Bodenfeuchte, der wichtigsten Messgröße, nähere Erkenntnisse eben über den Wasseraustausch mit der Atmosphäre. Das könnte eindeutigere Klima-Prognosen erlauben.

Bei den Messungen kommen einzigartige Datensammlungen zusammen, denn die verwendeten Messgeräte und die geophysikalischen Verfahren weisen mehrere Besonderheiten auf: Man misst mit Neutronensonden der neuesten Generation, „Cosmic-Ray Neutron Sensors“, kurz CRNS. Diese zählen die atmosphärisch erzeugten und vom Boden reflektierten Neutronen. Aus deren Anzahl kann man die Bodenfeuchte errechnen. Physiker, Geologen, Hydrologen, Vegetationsexperten und Technologen arbeiten mit den TU-Geoinformatikern Hand in Hand. Die speziell entwickelten Neutronensonden können sowohl stationär eingesetzt werden als auch mobil.

Klimamodelle für regionale landwirtschaftliche Planung

Auch messen die modernen Sensoren zerstörungsfrei. Es müssen keine Gruben ausgehoben oder andere verfälschende Eingriffe in den Boden vorgenommen werden. Für den Forschungseinsatz bei Peißenberg hatten die TU-Forscher außerdem eine eigene, mit speziellen Sensoren bestückte,
100.000 Euro teure Drohne mitgebracht, die aus Mitteln des TU-eigenen Forschungs-Infrastrukturprogramms finanziert worden ist. Sie beobachtete das Gebiet aus 75 bis 100 Metern Höhe. Eine an der Drohne angebrachte Laser- und eine Hyperspektralkamera lieferte zum Beispiel genaue Informationen über die Oberflächenstruktur der Landschaft sowie über Feuchte- und Wärme-Cluster im Gebiet. Die Informationen der Drohne können die Bodenfeuchtewerte der Neutronensonden auf größere Bereiche übertragen. Auf den Bildern der Wärme und Feuchtigkeit messenden Kameras sind Kühe zu erkennen, denn auch diese produzieren Wärme und verdunsten Feuchtigkeit. Auch die unterschiedliche Wärme und Verdunstung von gemähten und ungemähten Wiesen ist zu erkennen. Einbezogen in die Berechnungen werden auch Satellitendaten, überwiegend aus dem Erdbeobachtungsprogramm „Copernicus“ der EU und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

 

Weitere Informationen unter www.tu-berlin.de


 

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