Wissenschaft & Forschung

Wie man erkennt, wo ein Vulkan ausbricht

Innovative Methode zur Vorhersage neuer Schlote wurde an einem der risikoreichsten Vulkane der Erde getestet.

Der Monte Nuovo ist der Schlot eines der kleinsten Ausbrüche am Campi Flegrei, der 1538 stattfand. Bild: Mauro Antonio Di Vito, INGV - Nationales Institut für Geophysik und Vulkanologie Italien

Bei den meisten Vulkanausbrüchen, die man im Fernsehen oder im Internet sehen kann, schießt das Magma direkt aus der Spitze des Vulkans. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass das Magma eher aus der Flanke des Vulkans als aus seinem Gipfel ausbricht. Nachdem es die unterirdische Magmakammer verlassen hat, drängt das Magma seitwärts, indem es Gestein zerklüftet. Manchmal legt es so Dutzende Kilometer zurück. Wenn es dann die Erdoberfläche durchbricht, erzeugt das Magma einen oder mehrere Schlote, aus denen es – manchmal explosionsartig – austritt. Man konnte diesen Vorgang beispielsweise beim Ausbruch des Vulkans Bárðarbunga in Island im August 2014 und beim K?lauea auf Hawaii im August 2018 beobachten.

Abzuschätzen, wohin Magma fließt und wo es dann die Oberfläche durchbricht, ist in der Vulkanologie eine zentrale Fragestellung. Denn die Antwort darauf könnte dazu beitragen, das Risiko für gefährdete Dörfer und Städte zu verringern. Nun haben Eleonora Rivalta und ihr Team vom Deutschen Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam zusammen mit Kollegen der Universität Roma Tre und des Vesuv-Observatoriums des italienischen Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia in Neapel eine neue Methode zur Erstellung solcher Durchbruchsprognosen entwickelt. Ihre Studie ist in der Zeitschrift Science Advances erschienen.

Bisherige Ansätze basierten auf Statistiken über die Orte vorhergegangener Eruptionen, sagt Eleonora Rivalta. Ihre Methode verbinde Statistik mit Physik: Man berechne die Wege des geringsten Widerstands für aufsteigendes Magma und stimme dann das Modell auf der Grundlage von Statistiken ab. Die Forscher haben den neuen Ansatz erfolgreich mit Daten aus der Caldera Campi Flegrei in Italien getestet, einem der Vulkane mit dem höchsten Ausbruchsrisiko weltweit. Wie ein mit Maulwurfshügeln bedeckter Rasen Schlote an der Flanke eines Vulkans werden oft nur von einem einzigen Ausbruch genutzt. Alle Vulkane können solche einmaligen Schlote erzeugen, aber einige tun das mehr als andere. Ihre Flanken werden von Dutzenden von Öffnungen durchlöchert, deren Ausrichtung die Stellen markiert, an denen unterirdische Magmagänge die Erdoberfläche erreichten.

Bei Calderen, oft riesigen kesselartigen Strukturen, die sich kurz nach der Entleerung einer Magmakammer bei einem Vulkanausbruch bilden, können sich auch Schlote innerhalb und am Rand öffnen. Das liegt daran, dass es diesen Vulkanen an einem Gipfel als Zentrum eines neuerlichen Ausbruchs fehlt. Calderen sehen oft aus wie ein mit Maulwurfshügeln bedeckter Rasen. Die meisten Caldera-Schlote wurden nur bei einem einzigen Ausbruch benutzt. Die daraus resultierenden verstreuten, manchmal scheinbar zufälligen Schlotverteilungen bedrohen großräumige Gebiete und stellen eine Herausforderung für VulkanologInnen dar, die Prognosekarten für den Ort zukünftiger Eruptionen erstellen. Solche Karten benötigt man auch zur genauen Vorhersage von Lava- und pyroklastischen Strömen oder der Ausdehnung von Aschefahnen. Die Schlot-Karten basieren bisher hauptsächlich auf der räumlichen Verteilung älterer Schlote: In der Vulkanforschung gehe man oft davon aus, dass sich der Vulkan künftig weiter so verhalten wird wie in der Vergangenheit, so Rivalta. Das Problem sei, dass oft nur wenige Dutzend Schlote auf der Vulkanoberfläche sichtbar seien, da große Ausbrüche dazu führen könnten, dass vergangene Eruptionsmuster überdeckt oder verwischt würden.

So mathematisch anspruchsvoll ein Verfahren auch sein mag, eine dünne Datenlage führt dann zu groben Karten mit großen Unsicherheiten. Außerdem kann sich die Dynamik eines Vulkans mit der Zeit ändern, so dass die Schlote anders wandern als erwartet. Erfolgreiche Tests bei den Campi Flegrei Deshalb hat die Physikerin Rivalta zusammen mit einem Team von Geologen und Statistikern die Physik der Vulkane genutzt, um die Prognosen zu verbessern. Sie verwendeten das aktuellste physikalische Wissen darüber, wie Magma sich unterirdisch ausbreite, und kombiniere das mit einem statistischen Verfahren und dem Wissen über die Struktur und Geschichte des Vulkans. Man stimme die Parameter des physikalischen Modells so lange ab, bis sie mit früheren eruptiven Mustern übereinstimmten. Dann hätte man ein Arbeitsmodell und könne damit zukünftige Ausbruchsstellen prognostizieren, erklärt Rivalta. Der neue Ansatz wird in Süditalien auf die Campi Flegrei bei Neapel mit einer Einwohnerzahl von fast einer Million Menschen angewandt. In den Campi Flegrei, einer Caldera mit mehr als zehn Kilometern Durchmesser, haben etwa achtzig Schlote in den letzten 15.000 Jahren explosive Ausbrüche ausgelöst. Der neue Ansatz schneidet in retrospektiven Tests gut ab, das heißt, er sagt nachträglich die Position von Schloten richtig voraus, die nicht zur Abstimmung des Modells verwendet wurden, berichten die Forschenden.

Weitere Informationen unter www.@gfz-potsdam.de

Keywords: Geodäsie, Geoinformation, Geo, Geoinformatik, GI, GFZ, Edbeben