Fachbeiträge

Eine Visite in Rom: Analog zwischen Historie, Verkehr und Massentourismus

Über Rom wurde viel geschrieben, philosophiert und spekuliert. Kaum eine Stadt kann auf eine so wechselvolle Geschichte zwischen Aufstieg, Niedergang und Neugeburt zurückblicken.

Schauen wir auf das Rom der Antike, so war die Stadt damals eine blühende Metropole mit moderner Infrastruktur, die ­Menschen aus allen Ecken des Reichs und darüber hinaus anzog. So lebten bereits 125 vor Christus mehr als 390?000 Menschen in Rom. Im Vergleich zur Weltbevölkerung von geschätzten 300 Millionen Menschen war Rom zu jener Zeit eine Megacity. Nach zahlreichen Plünderungen, Zerstörungen und Belagerungen über die Jahrhunderte sowie dem „Avignone­sischen Exil“ der Päpste ab 1309 entvölkerte sich die Stadt. Zu ­jener Zeit lebten im „sterbenden“ Rom nach Schätzungen noch rund 30?000 Einwohner. Mit der Rückkehr des Papsttums im Jahr 1377 nahm die Entwicklung der Stadt eine Wendung. ­Zahlreiche ­Gebäude entstanden in den folgenden Jahrhunderten – gerade unter dem maßgeblichen Einfluss der Päpste. Ab 1876 wurde der ­Tiber reguliert und mit der Weltausstellung im Jahr 1911 ­zählte die Stadt über 420?000 Einwohner. Rom verzeichnete in den folgenden Jahren eine starke Zunahme der Einwohnerzahl. Im Jahr 1931 waren es 930?000 Menschen. Heute leben nach Schätzungen über 2,8?Millionen Einwohner in Rom [3].

Rom zeigt in puncto intelligenter Stadtkonzepte bis dato wenig Flagge (Bild: Andreas Eicher)

Und damit wären wir bei den Hindernissen Roms. Die Bevölkerung wächst und die städtebauliche Infrastruktur gerät an ihre Grenzen. Die Krux liegt auch darin, dass die über Jahrhunderte gewachsene historische Infrastruktur eine Bürde und damit einen Hemmschuh für Innovationen bedeutet. Es lässt sich nichts einfach abreißen, gerade weil jeder Stein, jede Säule und Fassade ein historisches ­Relikt bedeutet. Wie weit der Arm der Geschichte Roms reicht, verdeutlicht die Tatsache, dass auf vielen Gullideckeln und Abfall­behältern noch heute „SPQR“ steht. Die Abkürzung stand und steht für das lateinische „Senatus Populusque Romanus“ und bedeutet „Senat und Volk von Rom“.

Versklavt durch das Auto

Daneben leidet Rom unter einem massiven Verkehrsaufkommen. Zwar unterhält die Stadt auf den Hauptverkehrsachsen im Zentrum und in die Stadteile U-Bahn-Linien und Regionalzüge. Busse und Straßenbahnen fahren zumindest im Stadtzentrum regelmäßig. Aber das Bild kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ­Individualverkehr in Rom ein Problem darstellt. Pkw und Roller fluten die Stadt, auch weil die teils marode und unpünktliche Nahverkehrsinfrastruktur immer wieder zu langen Wartezeiten führt. So titelte „Der Spiegel“ im vergangenen Jahr: „Das verlotterteste Unter­nehmen Europas“ und meinte damit die römischen Verkehrsbetriebe, die sich durch „minimale Sauberkeit und rekordverdächtige Unpünktlichkeit über viele Jahre einen Namen erarbeitet“ hätten [4]. Und wer in die Vor­orte muss, der steht nicht ­selten und wartet – auch aufgrund von Streiks – vergebens. Dann bleibt nur das Auto, das motorisierte Zweirad oder Laufen. Nicht umsonst schrieb die Konrad-Adenauer-Stiftung ­bereits 2012: „Der durchschnittliche Hauptstädter ist durch das Auto versklavt: Wer in Rom lebt, kann nicht ohne Auto sein.“ Und weiter heißt es: „Die starke Nutzung des Autos ist eine direkte Folge dieser Ineffizienz, weil sie dem Bürger den falschen Eindruck vermittelt, er könne im privaten PKW die Desorganisation des öffentlichen Nahverkehrs umgehen“ [5].

Beliebt, weil praktisch: der Roller in Roms Straßen (Bild: Andreas Eicher)

Fahrradfahren ähnelt in vielen Bereichen Roms eher einem Himmelfahrtskommando. Denn die Rücksichtnahme motorisierter Verkehrsteilnehmer hält sich in Grenzen. Und die notwenige Infrastruktur mit ausgebauten Radwegen als „rettendes Ufer“ vor dem rasanten Verkehrsfluss ist ein seltenes Bild in der Stadt. Mit anderen Worten: In Rom herrscht in der Verkehrsplanung viel analoges Denken und Handeln, das wenig nachhaltige Projekte für die Menschen in der Stadt bereithält.

Die Tourismuswirtschaft und das Müllproblem

Hinzu kommt ein unaufhaltsamer Massentourismus, der im Jahr geschätzte neun Millionen Touristen in die Stadt spült. Ein Dauerthema ist in diesem Zusammenhang das ohnehin große Müllproblem in der Stadt, das sich durch die vielen Besucher noch verschärft. Nach Zahlen des Museums „Muse“ für Wissenschaft in Trento, Italien, produziert jeder Einwohner Italiens rund 536 Kilogramm Müll jährlich. Die vielen Millionen Touristen nicht inbegriffen. Das ist ein Risiko, zumal die Müllentsorgung in vielen Teilen nicht funktioniert. So wird der Müll teils bis nach Deutschland zur Entsorgung gebracht. Das Informationsportal von „tagesschau.de“ schrieb in diesem Zusammenhang im vergangenen Jahr vom „Ewigen Müll in der ewigen Stadt“ und zitierte die neue Bürgermeisterin Roms, Virginia Raggi: „Das gesamte System der Müllverwaltung in Rom ist völlig verfilzt, es ist eine Sackgasse.“ Das Resultat sind Abfallstapel an den Straßen, überquellende Mülltonnen und Gestank [6]. Die kritischen Worte V.?Raggis verhallten im Korruptionsverdacht, dem sie sich mit der Stadtregierung nun selbst ausgesetzt sieht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die italienische Hauptstadt kämpft mit einem immensen Müllproblem (Bild: Andreas Eicher)

Überhaupt ist in Rom vieles auf die Tourismuswirtschaft und deren Bedürfnisse abgestellt. Angefangen bei den obligatorischen Bustouren durch die Stadt über Segway-Angebote bis hin zu Leihfahrrädern. So präsentiert sich Rom wenig „smart“ im Sinne einer intelligenten Stadt (oder was im großen Kontext darunter verstanden wird) und zeigt sich grün und schmutzig zugleich. Die Grenzen dieses Wachstums mit einer wenig durchdachten sowie zukunftsweisenden Stadtentwicklung lassen sich eben nicht mit Leihrädern, E-Auto-Anbietern und W-LAN für alle beschönigen. Das sind nicht mehr als Insellösungen. Darüber können auch Vorhaben, wie das „Smart-Grid-Pilotprojekt Malagrotta“ oder „smarticipate“ mit dem „Urban Gardining“ nicht hinwegtäuschen. Vieles wirkt punktuell oder wirft wie im Bereich des „Green Building“ die Frage auf: Treten hier Unternehmen, Planer und Städte in einen Wettbewerb?
Ein Blick in das Buch „Leadership in Green Building“ vermittelt diesen Eindruck. Dort zeigen die Autoren exemplarisch Projekte aus ganz Italien auf – in ein Ratingsystem gepackt (Leadership in Energy and Environmental Design, kurz Leed) [7]. Dem Leser werden Green-Building-Beispiele dargestellt, die vom Leed-Certified- über den Gold- bis zum Platinum-Status reichen. Die Olympischen Spiele im Bereich des grünen Bauens lassen grüßen und viele Organisationen präsentieren sich mit ihren Prestige-Bauten und grünem Anstrich. Oder anders formuliert: Leuchttürme statt Gesamtstrategie.

Autor: Andreas Eicher