Energie gewinnen, Energie sparen

Andreas Eicher

„Die Energie des Winds lässt sich mittels moderner Windenergieanlagen (WEA) in elektrischen Strom umwandeln. Die am weitesten verbreitete Bauart sind dabei dreiflüglige Windräder mit horizontaler Achse, die die vom Wind hervorgerufene Drehung des Rotors auf einen Generator übertragen, welcher elektrische Energie an das Stromnetz abgibt.“ Was ein bisschen nach „Knoff-Hoff-Show“ klingt, ist in Wirklichkeit die Erklärung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Windenergie. Dessen Bundesminister Peter Altmaier wollte im vergangenen Jahr ein Gesetz auf den Weg bringen, nachdem ein Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Wohnhäusern und Windkraftanlagen bestehen sollten.

Grüne Energie gewinnen und gleichzeitig Energie einsparen – eine Dauerthema der Politik (Quelle: stock.adobe.com_pogonici)

Grüne Energie gewinnen und gleichzeitig Energie einsparen – eine Dauerthema der Politik (Quelle: stock.adobe.com_pogonici)

Was für ein Einfall. Auf solche Ideen können nur Verantwortliche in den Ministerial- und Amtsstuben hinter ihren Schreibtischen kommen. Nach heftigem Gegenwind aus der Politik und von Umweltverbänden ruderte P. Altmaier teils zurück. Laut „tageschau.de“ habe das Ministerium des CDU-Politikers einen neuen Vorschlag erarbeitet. „Die Bundesländer sollen demnach selbst entscheiden, ob mindestens 1.000 Meter Abstand zwischen Siedlungen und Windrädern bei ihnen eingehalten werden müssen. Bisher sollten die 1.000 Meter grundsätzlich bundesweit gelten. Länder und Kommunen, die das nicht wollen, hätten dann beschließen müssen, diese Regel nicht anzuwenden“, so das Nachrichtenportal der ARD [1].

Einbruch der Windkraft

In dieser Form ist jedoch ein neuerliches Durcheinander im „Hü und Hott“ um den Ökostrom-Ausbau vorprogrammiert. Statt eine einheitliche Regelung zugunsten der Windkraft aufzulegen und damit den notwendigen Freiraum zur Schaffung der notwendigen Investitionen zu schaffen, verliert man sich abermals im Klein-Klein. Das „ZDFzoom“ stellt in diesem Zusammenhanf fest: „Der Ausbau der Windkraft ist in den letzten Jahren stark eingebrochen. Ohne die günstige Energiequelle aber steht eine ganze Branche vor dem Aus. Die von der Bundesregierung noch vor Kurzem beschlossenen Klimaschutzziele könnten nicht eingehalten werden.“ Und weiter heißt es: „Forschungsinstitute für Erneuerbare Energien, wie das Fraunhofer IWES in Bremerhaven, beklagen die mangelnde Unterstützung der Bundesregierung, die zu dem massiven Einbruch beim Zubau der Windkraft geführt habe“ [2].

Damit schadet die Regierung nicht nur dem angestrebten Ziel des Ausbaus erneuerbarer Energien, sondern vernichtet Arbeitsplätze in der zukunftsträchtigen Windkraftindustrie und überlässt den europäischen Nachbarn das Windkraftfeld. Mehr noch ist die Regierung vor den Lobbyisten der Atom- und Kohlestromindustrie abermals eingeknickt. Ein bedenkliches Signal, das den erforderlichen Umschwung in Richtung nachhaltiger Energiegewinnung merklich verlangsamt.

Grüner Wasserstoff aus den Golf-Staaten

Ergo bleibt scheinbar auf absehbare Zeit nur der harte Weg. Und der bedeutet Strom „schmutzig“ zu produzieren, sprich beispielsweise weiterhin auf Kohle statt erneuerbarer Energien zu setzen. Doch Minister P. Altmaier hat eine aus seiner Sicht viel bessere Idee. Gegenüber „ZDFzoom“ sagte er: „Wo wir heute Öl und Gas importieren, Kohle und Nuklearbrennstäbe, dort werden wir in Zukunft vermehrt grünen Wasserstoff importieren“ [3]. Bei der gegebenen Situation eines schleppenden Ausbaus von Ökostrom verwundern Aussagen, wie die von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, nicht: „Es ist unbestritten, dass Deutschland grüne Energie in großen Mengen importieren muss. Nur so sind die Klimaziele bis 2030 und darüber hinaus zu erreichen.“ Dafür sei grüner Wasserstoff nach A. Karliczeks Worten eine zentrale Option. „Wind und Sonne hierzulande reichen nicht aus, um den Industriestandort, aber auch unsere hochmobile Gesellschaft mit grüner Energie zu versorgen“, so die Ministerin [4]. Können sie auch nicht, wenn die Weiterentwicklung und der Ausbau dieser Energieformen in die politische Sackgasse geführt werden.


 

Grüner Wasserstoff soll die Energiewende sichern (Quelle: stock.adobe.com_Web Buttons Inc)


Allerdings bleibt festzuhalten, dass ein groß angelegtes Wasserstoff-Vorhaben unüberlegt und absurd klingt. Denn de facto muss dieser Wasserstoff per Schiff aus entlegenen Ecken dieser Welt importiert werden, beispielsweise aus den Golf-Staaten. Ist der Wasserstoff in einem deutschen Hafen angekommen, so geht die Reise von dort quer durchs Land zur Nutzung. Dieser ganze Prozess ist nicht nur langwierig und kostspielig zugleich, es erinnert an das Eulen nach Athen tragen. 

Smart Grid, Klimakiller Internet, Energieeffizienz

Zurück zum Strombedarf. Rund um diesen Themenkomplex klinken sich seit Jahren Anbieter „smarter“ Lösungen in den Prozess ein. Ihre Versprechen lauten, mit intelligenter Technologie den Stromverbrauch in Haus, Fabrik und dem öffentlichen Raum merklich zu senken. Smart Grid & Co. sollen es richten. Was dabei vielfach nicht bedacht wird: Apps, Soft- und Hardware sowie das Hosting brauchen immer mehr Strom. Das heißt, die zunehmende Digitalisierung aller Arbeits- und Lebensbereiche braucht das Internet. Le Monde diplomatique spricht in diesem Zusammenhang vom „Klimakiller Internet“. Ein Internet, das zu einem der größten Energiefresser heranwachse [5]. Und auch der Energieversorger Eon sieht das Internet als Stromfresser, denn „Googeln, Surfen, Mails und mehr sorgen für immensen Stromverbrauch in den Rechenzentren“. So hätten laut Eon alleine in Deutschland Server und Rechenzentren im Jahr 2017 insgesamt 13,2 Mrd. kWh Strom verbraucht (Berechnung des Borderstep Instituts). Das entspräche ungefähr dem Stromverbrauch der Stadt Berlin. Der Westdeutsche Rundfunk wiederum schreibt in einem Beitrag vom August 2019 von 5,7 Terawattstunden pro Jahr (eine Terawattstunde entspricht einer Milliarde Kilowattstunden, Anm. d. Red.), die „Google und seine Dienste, wie Maps, YouTube oder Drive verbrauchen“. Der Vergleich hier: „Das ist ungefähr so viel Strom, wie San Francisco pro Jahr verbraucht“ [6]. Die Krux: Der stete Zuwachs des Strombedarfs für die digitale Welt bedrohe die Einsparungen an CO2-Ausstoß pro produzierter Kilowattstunde Strom durch erneuerbare Energien. Die kurzfristige Eon-Schlussfolgerung fällt denn auch nachdenklich aus: „Bis 2021 werden die Rechenzentren in Deutschland über 9 Prozent des Strombedarfs im Sektor ‚Gewerbe Handel Dienstleistung‘ verbrauchen“ [7].


Ein vielfach unbeachtetes Thema: Apps, Smart Home & Co. und die Umweltkosten (Quelle: stock.adobe.com_AndSus)


Dabei kommt neuen Möglichkeiten eines optimierten Energieeinsatzes eine wesentliche Rolle zu. Schlicht fasst es die Bundesregierung unter der Überschrift: „Energieeffizienz und Energiesparen“ zusammen: „Die billigste und klimafreundlichste Kilowattstunde ist die, die man nicht verbraucht.“ Das ist wohl war. Etwas konkreter formuliert heißt es weiter: „Für eine erfolgreiche Energiewende ist entscheidend, sowohl die Energieeffizienz zu steigern als auch den absoluten Energiebedarf zu senken. Deswegen hat die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept das Ziel gesetzt, den Stromverbrauch in Deutschland bis 2020 um zehn Prozent und bis 2050 um 25 Prozent zu verringern (verglichen mit dem Wert von 2008).“ [8]


Der gesamtdeutsche Nettostromverbrauch …
… stieg von 509 Terrawattstunden im Jahr 2009 auf 541 Terrawattstunden (2010). 2018 wurden rund 527 Terawattstunden verbraucht [9].


Das Umweltbundesamt (UBA) hat sich Anfang Januar 2020 mit folgender Feststellung zu Wort gemeldet: „Um die im Energiekonzept formulierte Reduzierung des Stromverbrauchs zu erreichen, bedarf es weiterer Einsparmaßnahmen.“ Den meisten Strom verbrauche nach Aussagen des UBA die Industrie, gefolgt vom Gewerbe, Handels- und Dienstleistungssektor, den privaten Haushalten und dem Verkehrssektor [10]. Somit besteht nicht nur in den zukünftigen Fabriken Nachholbedarf bei Einsparmaßnahmen, sondern auch in den urbanen Zentren mit ihren Mobilitäts- und Infrastruktureinrichtungen sowie im weltweiten Waren- und Dienstleistungsaustausch. Auch die politisch Verantwortlichen haben strategischen Nachholbedarf. Denn es geht vor allem darum, Energie zu gewinnen und Energie zu sparen.


Quellen:

 

[1] https://www.tagesschau.de/inland/windraeder-altmaier-101.html
[2] https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-das-ende-der-energiewende-102.html
[3] https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-das-ende-der-energiewende-102.html
[4] https://www.bmbf.de/de/afrikanischer-wasserstoff-ist-der-stoff-der-zukunft-10078.html
[5] Maak, N.: Klimakiller Internet. Le Monde diplomatique: Atlas der Globalisierung 40, 2019
[6] https://www.quarks.de/technik/energie/so-viel-energie-verbraucht-das-internet/
[7] https://www.eon.de/de/eonerleben/warum-der-stromverbrauch-im-internet-die-umwelt-genauso-belastet-wie-der-weltweite-flugverkehr.html
[8] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/energiewende/fragen-und-antworten/energieeffizienz-und-energiesparen/energieeffizienz-und-energiesparen-456368
[9] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164149/umfrage/netto-stromverbrauch-in-deutschland-seit-1999/
[10] https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/stromverbrauch