Mit BIM beschäftigen drei Buchstaben und die dahinterliegende Methode seit Jahren die Baubranche. Denn die Hoffnungen, die mit BIM – so das Akronym für Building Information Modeling – für Bauverantwortliche einhergehen, sind groß. Die Vorstellungen reichen von „Erst virtuell, dann real planen, bauen und betreiben“ bis hin zu „Besser bauen und betreiben im digitalen Prozess“. Dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit im Baubereich indes vielfach eine Lücke klafft, ist normal. Und so wird BIM zur Zerreißprobe, auch in den geplanten sowie umgesetzten Kunst- und Kulturtempeln der Hauptstadt Berlin.
Von einem Repräsentationsbau als Symbol der politischen Macht zum anderen
Nun hat mit dem Humboldt-Forum ein Repräsentationsbau als Symbol der politischen Macht den anderen abgelöst, will heißen den Palast der Republik. Denn auch die Bundesregierungen und mit ihr das Parlament suchten und suchen bis dato stets nach Ausdrücken von Macht. Und die manifestiert sich teils in kostspieligen Vorzeigebauten. Beliebt sind kulturelle Leuchtturmprojekte, wie eben jenes Humboldt-Forum in der Bundeshauptstadt. Über Sinn und Unsinn solcher Großprojekte mit enormen Laufzeiten und letztendlich Kosten lässt sich trefflich streiten. Nicht aber über den Weg des Planens und Bauens. Der wird vermehrt von der BIM-Methode beherrscht und vorgegeben – auch in der Kunst und Kultur samt der in Beton gewordenen Gebäude. Bestes Beispiel: das Humboldt-Forum.
Anstelle des Palasts der Republik trat das 2020 zunächst digital und 2021 auch für Besucher vor Ort eröffnete „Humboldt-Forum im Berliner Schloss“, beschrieben als „ein neuer Magnet in Berlins Mitte“. Ein Bauwerk, das Kultur und Wissenschaft vereinen soll; nach eigenem Dafürhalten „Mehr als ein Museum“ – realisiert mithilfe des Building Information Modeling (BIM). Überhaupt zählt das Humboldt-Forum zu einem Vorzeigevorhaben im Hochbau. Die Macher von „Mittelstand-Digital Zentrum Bau“ schreiben in diesem Zusammenhang auf ihren Seiten: „Der Bau war (…) ein Pilotprojekt des Bundes mit dem Ziel, den Einsatz der Methode Building Information Modeling (BIM) auf deren Vorteile hin zu untersuchen.“
Und weiter heißt es: „BIM-Schwerpunkte im Projekt waren Erarbeitung, Austausch und Koordination geometrischer Modelldaten, die Erstellung digitaler, objektorientierter 3-D-Fachmodelle der Bauwerke, der Datenaustausch im Datenformat IFC und das Zusammenführen der Fachmodelle in einem Koordinationsmodell.“ Hinzu kam: „3-D-BIM war Grundlage für Berechnungen, Simulationen und Alternativplanungen.“ Die Vorteile des BIM-Einsatzes im Rahmen der Planung des Humboldt-Forums umschreibt „Mittelstand-Digital Zentrum Bau“ unter anderem mit „der Visualisierung“ sowie dem „schnellen Zugriff auf komplexe Planungsinformationen“. Hinzu kommen „effizientere Auswertungen“, eine „automatisierbare Planungsprüfung und damit einhergehend eine Verringerung von Projektlaufzeit und Kosten aufgrund von Nachträgen“.
Die Geschichte zu Ende erzählen: Unbrauchbares BIM-Modell und digitale Prozesse
Wenn wir die Planungs- und Bauhistorie des Berliner Schlosses und seine Nutzung als Humboldt-Forum betrachten, so gilt es, bei allen Lobpreisungen der BIM-Methode in diesem Pilotprojekt die Geschichte zu Ende zu erzählen. Hierzu gehört beispielsweise der von der Fachpublikation „DETAIL“, einer Zeitschrift für Architektur und Baudetail, bereits 2015 veröffentlichte Artikel zum damaligen „Kongress „BIM – Planungsprozess im Wandel in München“. Darin heißt es: „Im Hochbau sollte eigentlich das neue Humboldt-Forum auf der Schlossinsel in Berlin zum BIM-Pilotprojekt werden (…). Allerdings waren die Spezifikationen des Bauherrn in diesem Fall so ungenau, dass die Architekten ein praktisch unbrauchbares BIM-Modell ablieferten und dieses daraufhin im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung neu erstellt werden musste. Für die Ausführungsplanung der Fassaden wurde später wieder auf herkömmliche 2-D-Pläne umgestiegen.“ Zu diesen Herausforderungen und Hürden liest man indes wenig im Rahmen solcher Prestigeprojekte im Schatten eines teils noch überhöhten Anspruchsdenkens von BIM im kompletten Bauprozess.
Für Dr. Andreas Donaubauer vom Lehrstuhl für Geoinformatik an der Technischen Universität München (TUM) liege ein genereller Knackpunkt in durchgängigen digitalen Prozessen bei der Nutzung der BIM-Methode. Auf die Frage, welche neuen Skills es im BIM-Umfeld braucht, gibt er zu bedenken, dass dies auf die Rolle ankäme, die eine Person im BIM-Prozess einnehme. Gegenüber der gis.Business erklärt der TUM-Wissenschaftler: „So benötigt die Rolle des BIM-Managers Expertenwissen über den organisatorischen Ablauf des BIM-Prozesses und die entsprechenden Standards. Die Rolle des BIM-Modellierers oder BIM-Fachplaners erfordert Kompetenzen im Umgang mit BIM-Autorenwerkzeugen. Und für die Rolle des Common Data Environment Managers sind Kompetenzen im Management, der Sicherheit und Strukturierung von digitalen Informationen die Voraussetzung.“ Ob das die Verantwortlichen bei der BIM-Initiierung im Rahmen des Projekts zum Humboldt-Forum bedachten, bleibt ihr Geheimnis. Und doch erscheint das Ganze nur eine kleinere Spielwiese im Streit um das Humboldt-Forum, der sich seit der ersten Idee hinzieht – nicht nur hinsichtlich der Gesamtkosten von über 680 Millionen Euro.
Ein ausführlichen Interview mit Dr. Andreas Donaubauer, Lehrstuhl für Geoinformatik an der Technischen Universität München, zum Thema BIM, finden Interessenten in der gis.Business 5/2024.
Die nächsten Bauprojekte im Kunst- und Kulturumfeld warten schon, auch in der Hauptstadt Berlin. So beispielsweise das Bundesbau-Großprojekt des Museums der Moderne „berlin modern“. Veranschlagte Kosten Stand 2023: ca. 376 Millionen Euro laut Berliner Zeitung. Ob es bei dieser Summe bleibt, ist fraglich. Die Ausreden zu Bauverzögerungen und Kostensteigerungen dürften indes mit Sicherheit nicht ausgehen – trotz BIM.