„De Zoch kütt“ – nicht

Andreas Eicher

„Fahrgastrekord zu Weihnachten“, titelte der Bahn-Konzern direkt nach den Feiertagen und fügt seiner Meldung hinzu: „Rekordzahl von 3,2 Millionen Reisenden im Fernverkehr“, „Spitzenwert von 2019 deutlich übertroffen“. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass Unternehmen ihre vermeintlichen Erfolge schnell nach Außen geben. Ganz nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber. Was den Fall der Deutschen Bahn betrifft, so sind diese Zahlen indes nur die halbe Wahrheit. Denn die postulierten Rekordzahlen an Fahrgästen rund um Weihnachten 2022 verdecken bestenfalls mehr schlecht als recht die Versäumnisse der Bahn der letzten Jahrzehnte.

Bahnfahren heißt oft warten. Bild: stock.adobe.com (Westwind)

Bahnfahren heißt oft warten. Bild: stock.adobe.com (Westwind)

Die schlagen sich für jeden Fahrgast spürbar in verspäteten oder ausfallenden Zügen nieder. Wer schon einmal im ICE saß, der hinter einer Regionalbahn her zuckelte oder irgendwo im nirgendwo zum Stehen kam, der weiß um die Bandbreite möglicher Verspätungen. Dabei sprechen wir an dieser Stelle noch nicht von Zügen, die aufgrund fehlenden Personals überhaupt nicht losfahren können. Ein viel zitierter Grund von Unpünktlichkeiten erfährt der Zugreisende auch gerne via Durchsage, wenn es heißt: Aufgrund einer technischen Störung am Zug verzögert sich unsere Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit. Wen wundert es, wenn „Tagesschau.de“ Ende 2022 titelt: „Die Bahn kommt – aber oft zu spät“ und folgert: „Bauarbeiten, hohe Auslastung, Sabotage – für Kundinnen und Kunden der Bahn geht ein besonders schwieriges Jahr zu Ende. Im Fernverkehr waren bis November im Schnitt nur rund 65 Prozent der Züge pünktlich.“ Und auch der Bayerische Rundfunk (BR) konstatiert für das abgelaufene Jahr: „Die Deutsche Bahn: Unpünktlich wie nie“ und nennt mit der Region West den „Unpünktlichkeits-Hotspot“ hierzulande. „Hier kamen im August dieses Jahres nur 48,4 Prozent der Fernzüge pünktlich ans Ziel. Im Klartext: mehr als jeder zweite Zug im Westen war unpünktlich“, so der BR. Den Hauptgrund sehen die Bahn-Verantwortlichen selbst in einer maroden Bahninfrastruktur. Der BR schreibt hierzu: „Jahrzehntelang wurde zu wenig in Schienen, Stellwerke, Weichen, Brücken und Bahnhöfe investiert. Das hatte auch mit dem einst geplanten Börsengang der Bahn zu tun.“ Und so heißt es heute vielfach: „De Zoch kütt“ – nicht (der Zug kommt – nicht).

Kaputtgespart sowie Planungs- und Umsetzungsdesaster

Ein Haken: Die Bahn wurde über Jahrzehnte ausgedünnt – manch Kritiker spricht von kaputtgespart. Damit fehlen vielfach Experten in den eigenen Reihen, die Großprojekte stemmen können. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Antwort der ehemaligen Bundesregierung auf eine „Kleine Anfrage der FDP“ zum Nordzulauf des Brenner-Basistunnels (BBT) vom September 2020 (Drucksache: 19/21791). Auf die Frage nach konkreten und zusätzlichen Planungskapazitäten rund um das Großprojekt antwortete die Bundesregierung wie folgt: „Das Projektteam der DB Netz AG wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich aufgebaut und um Fachexperten (zum Beispiel Geologen und Umweltplaner) ergänzt. Zum 31. August 2020 arbeiten 28 Vollzeitkräfte im Projektteam Brenner-Nordzulauf. Themenbezogen sind weitere Fachabteilungen der DB Netz AG sowie externe Sachverständige (zum Beispiel Baugrund, Erschütterungen, Aerodynamik, Lärm) an den Planungen des Brenner-Nordzulaufs beteiligt.“


Einen ausführlichen Beitrag zum Brenner-Basistunnel mit dem Titel „Vom Tunnelblick zur Weitsicht“ finden Interessenten in der gis.Business 6/2022.


An dieser Antwort lässt sich das ablesen, was Experten hinter vorgehaltener Hand kritisieren. Es fehlt an Fachkräften, die für einzelne Projekte jedes Mal mühsam gesucht werden müssen. Im Rahmen der letzten Intergeo in Essen sprach ein Teilnehmer, der namentlich nicht genannt werden möchte, von einem Planungs- und Umsetzungsdesaster bei vielen Bahnprojekten. Die fangen bei unkonkreten oder am Projekt vorbeilaufenden Ausschreibungen an und hören beim besagten Fachkräftemangel und einer schlechten Projektkoordination noch nicht auf. Damit rächt sich heute, was der ehemalige Bahnvorstand Hartmut Mehdorn in seiner Amtszeit lostrat: „Um die neu gegründete Bahn AG nach der Wiedervereinigung fit für die Börse zu machen, verordnete der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn dem Unternehmen einen strikten Sparkurs, verbunden mit dem Abbau Tausender Arbeitsplätze.“ Ein Risiko, das die Bahnverantwortlichen längst hätten minimieren können. Denn fehlende Expertise ist bekanntermaßen in allen Organisationen ein Risikofaktor, den es dringend zu beachten gilt. So findet sich im Konzernlagebericht 2021 der Bahn unter dem Chancen- und Risikomanagement im DB-Konzern das Risiko des Fachkräftemangels. Hierzu heißt es: „Intensiver Wettbewerb, unter anderem um gut ausgebildete Nachwuchskräfte.“ Dies vor Augen scheint der Konzern indes zu wenig zu tun. Wen wundert es, dass in Bewertungsforen Meldungen, wie die folgende, zu finden sind: „Die Bahn hat zwar seit Jahren einen massiven Fachkräftemangel, verpasst allerdings etliche Chancen im Recruiting.“


Web-GIS: schneller und einfacher Datenzugang

Während bei deutschen Bahnprojekten zu oft noch zu viel im Klein-Klein gedacht wird, setzen beispielsweise die Projektverantwortlichen des BBT in Italien bereits seit 2005 auf ein eigenes Geoinformationssystem (GIS) in Form eines Web-GIS. Dieses wurde im Zuge einer IT-Umstrukturierung im Jahr 2020 erneuert und auf Basis von Open-Source-Komponenten eingeführt. Vor allem die zahlreichen Fachbereiche, aber auch die große Ausdehnung des Projektgebiets ließen die zu verarbeitende Datenmenge in den vergangenen Jahren anwachsen, „die in der Bau- und Betriebsphase zweifelsohne noch weiter wächst und anwachsen wird“. Laut dem Geschäftsbericht 2021 der BBT gehören zu den „Baurisiken“ die folgenden Hauptbereiche: „Geologie, Hydrogeologie, Geotechnik, Baumethoden, Umweltaspekte, Genehmigungen, administrative und vertragliche Aspekte, Sicherheit und Projektänderungen.“ Diese Faktoren lassen erahnen, mit welchen Datenmengen es die Projektverantwortlichen zu tun haben. Um einen schnellen und einfachen Datenzugang mit GIS-Bezug zu ermöglichen, kann jeder Fachbereich und jeder Mitarbeiter der BBT SE über das Web-GIS direkt auf geographische Daten zugreifen. Zudem ist es möglich, „fachspezifische Daten in die Grundlagenkarte des Projektsgebiets“ einzufügen sowie eigene geographische Informationen mit anderen Informationen zu überlagern, „ohne dass es zu Verdoppelung oder Überschneidungen kommt“.

Kartenausschnitt der Web-GIS-Anwendung. Bild: Brenner-Basistunnel BBT SE  


Damit bietet das Web-GIS entscheidende Vorteile für ein Projekt in dieser Größenordnung. Denn als Planungswerkzeug ist es ein ideales Instrument, um Informationen besser zu erfassen, zu analysieren und darzustellen – gerade für verteilt arbeitende Planungs- und Projektteams. Nicht zu vergessen ist der Kommunikationsaspekt, den ein Web-GIS im Austausch mit den Bürgern ermöglicht. So kommen die BBT-Projektverantwortlichen zu der Erkenntnis: „Die Vorteile, die sich durch die Verwendung des GIS für die internen Aktivitäten der BBT SE ergeben, sind insgesamt eine Verbesserung der Effizienz, die Möglichkeit, über aktualisierte multidisziplinäre Informationen zu verfügen (…)“. Zudem geht es darum, die Informationen einem „breitem Publikum zur Verfügung zu stellen, welches, obwohl es nicht über Fachkenntnisse verfügt, über das Projekt geographisch referenzierte Informationen erhalten möchte“. Ein entscheidender Punkt, möchte man die Bürger vor Ort enger in den Gesamtprozess einbinden und nicht an ihnen vorbeiplanen. Und somit kann die Geo-IT auch eine Brücke zwischen einem solchen Großprojekt und den Menschen schlagen.