An rund 150 Geothermie-Anlagen in Deutschland könnte künftig Wärme oder Strom mit Thermalwasser aus dem Erdinneren gewonnen werden. Um an das heiße Wasser zu gelangen, ist jeweils eine Injektions- und eine Förderbohrung notwendig, die je nach Zusammensetzung des Thermalwassers und der Eigenschaften des Reservoirs individuell geplant und umgesetzt werden muss. Forschende der TU Bergakademie Freiberg entwickeln jetzt eine Open-Source-Software, die den kompletten Prozess während des Betriebs für einen bestimmten Standort simuliert. Das ermöglicht Geothermie-Anlagen eine störungsfreie Bohrung sowie Strom- und/oder Wärme-Produktion.
„Wer ein Geothermie-Kraftwerk oder -Heizwerk ohne Störungen betreiben will, den interessiert hauptsächlich, wie viel des natürlich im Untergrund vorhandenen Thermalwassers mit welcher Temperatur und chemischen Zusammensetzung sowie physikalischen Eigenschaften während des Förderbetriebs an der obertägigen Kraftwerksanlage ankommt“, sagt Projektleiter Professor Moh’d Amro. Laut dem Experten für Geoströmungstechnik können diese Faktoren vor allem über kontinuierliches Monitoring von Druck, Temperatur, pH-Wert und Durchflussrate gesteuert werden: „Diese Faktoren sind von elementarer Bedeutung, um die Auswirkungen auf die Geomechanik des bohrlochnahen Bereichs sowie Ausfällungen und Korrosion im Bohrloch zu regulieren, denn sie bestimmen die Strömung des heißen Wassers durch das Erdinnere zum Heizwerk. Sind diese Faktoren gut abgestimmt, läuft das Wasser störungsfrei und unter optimalen Bedingungen werden wartungsbedingte Stillstandzeiten der Anlage reduziert.“
Simulation für Geothermie-Anlagen verfügbar machen
Schon heute werden für die Planung der Bohrung, aber auch für den Betrieb der Anlagen numerische Simulationen eingesetzt. Die neue Software des Freiberger Teams soll erstmals die optimalen Bedingungen sowohl für die Strömung des heißen Thermalwassers zum Heizwerk durch das Bohrloch als auch für die anschließende Injektion des kalten Wassers im zweiten Bohrloch vorausberechnen, um unerwünschte Stillstandzeiten zu vermeiden. „Dabei beziehen die Berechnungen nicht nur Temperatur und Druck der Wasserströmung ein, sondern auch die weiteren Faktoren, Geomechanik, Ausfällungen und mögliche Sandproduktion im bohrlochnahen Bereich.“ Die Berechnungsgrundlagen für die neue Software bezieht das Team aus publizierten Betriebsdaten geothermischer Anlagen sowie Geothermie-Forschungsprojekten aus Deutschland und weltweit.
An mehreren Geothermie-Anlagen wird der Prototyp der Software voraussichtlich im kommenden Jahr im Einsatz getestet und schließlich als kostenlose Open-Source-Software allen interessierten Anwendern zur Verfügung gestellt. „Wir möchten Betreibern von Geothermie-Anlagen ein Werkzeug in die Hand geben, mit dessen Hilfe sie die Bohrung von der Lagerstätte bis zur Oberfläche besser überwachen, verstehen und steuern können“, so Amro. „Die Erfahrungen der einzelnen geothermischen Regionen in Deutschland können wir dank der Rückmeldungen aus der Anwendung im Forschungsprojekt berücksichtigen und so einen proaktiven Wissenstransfer und Best-Practises für zukünftige Projekte generieren.“
Weitere Informationen unter https://tu-freiberg.de/