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Münchner GI-Runde: Die Geoinformatik – mehr als nur ein Werkzeug

Dass wir uns inmitten einer Zeitenwende befinden, das verdeutlichen die täglichen Meldungen aus der Politik. Gleichzeitig unterliegt jede Epoche ihrem Wandel – politisch, gesellschaftlich und auch in den Handlungsmöglichkeiten des wissenschaftlich und wirtschaftlich Umsetzbaren. Mit Blick auf Letzteres heißt das: Was gestern undenkbar war, ist heute vielfach Standard. Das war eine wesentliche Erkenntnis der diesjährigen Münchner GI-Runde am 18. und 19. März 2024, durchgeführt vom Runden Tisch GIS e. V. an der Technischen Universität München (TUM).

Die TUM: Jährlicher Treffpunkt der Münchner GI-Runde. Bild: Andreas Eicher

Was wäre die Praxis ohne Wissenschaft und umgekehrt? Eine Frage, die Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen seit Jahren umtreibt. Denn ein Kern von Forschung muss es sein, um wissenschaftliche Ergebnisse in die praktische Anwendung zu bringen und Rückschlüsse aus den gewonnenen Ergebnissen im Unternehmensalltag zu ziehen. In diesem Zuge erleben wir seit Jahren einen ungeahnten Siegeszug digitaler Lösungen für alle Arbeits- und Lebensbereiche. Denn wie eingangs beschrieben ist heute vieles denkbar, was gestern undenkbar schien. Ähnlich formulierte es auch Ralf Bill, Seniorprofessor für Geodäsie und Geoinformatik, Universität Rostock, im Rahmen seiner Keynote zur „GI-Forschung und Entwicklung im Wandel der Zeiten“ anlässlich der Münchner GI-Runde. Nach seinem Dafürhalten unterlägen GIS-Innovationen in der Forschung einem ständigen Wandel. Mehr noch: „Geo-Informationssysteme (GIS) haben sich zu einem unverzichtbaren Instrumentarium für Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und den Bürger entwickelt“. So Prof. Dr. R. Bill in seinem Vorwort zu „Grundlagen der Geo-Informationssysteme“ – dem Standardwerk, das seit 30 Jahren und mittlerweile in der 7. Auflage im Wichmann Verlag erscheint (weitere Informationen zum Buch siehe Infokasten, Anm. d. Red.).


Seit über 30 Jahren sind die „Grundlagen der Geo-Informationssysteme“ das deutschsprachige Standardwerk für Studium und Praxis im Bereich Geoinformatik/GIS. Weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Interessenten hier.


Vom zögerlichen Einzug der Informationstechnik zum Dauerbrenner in der Geo-IT-Welt

Zurück zur Keynote und Prof. R. Bills „sehr persönlicher Geschichte zu 40 Jahren Geoinformatik“, wie er seinen Untertitel des Vortrags nennt. Eine Historie, die er im weiteren Verlauf seiner Ausführungen an den beiden Schwerpunkten des Precision Farmings und der digitalen Stadt, sprich der Stadtplanung, festmacht. Dass sich der zögerliche Einzug der Informationstechnik in das Geoinformationsumfeld zu Beginn der 1960er-Jahre mittlerweile zu einem unersetzlichen Dauerbrenner in der gesamten Geo-IT-Welt verfestigt hat, das steht außer Frage. Viel wichtiger ist die Erkenntnis Prof. R. Bills, wonach sich die Geoinformatik vom Werkzeug zur Wissenschaftsdisziplin entwickelt habe. Im Umkehrschluss heißt das: „Es braucht GIS in Kombination mit der Forschung“, ist sich Seniorprofessor R. Bill sicher. In dieser Funktion ist er übrigens seit April 2021 erster Seniorprofessor an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock.

Sensorik und Maschinen für die Landwirtschaft, die miteinander kommunizieren

Passend zu seinem bis dato gepflegten „Unruhestand“ war das bis Februar 2024 laufende Projekt „ADDFerti“. Dahinter verbirgt sich die Forschung an einer datengetriebenen Plattform für die teilflächenspezifische Düngung und Bewässerung (Variable Rate Fertigation (VRFI)). Prof. R. Bill zu dem Projekt, das unter anderem in Kooperation mit der Ghent University durchgeführt wurde: „Im Grunde geht es um die Kopplung unterschiedlicher Sensoren mittels einer Cloud-Infrastruktur.“ Auf den Webseiten der Universität Rostock heißt es zum technologischen Hintergrund: „Die integrierte Lösung wird auf neuartigen Bodensensortechnologien, einem kombinierten Düngungs- und Bewässerungssystem, ICT-Infrastruktur, Algorithmen und Entscheidungsunterstützungswerkzeugen basieren.“ Das deckt sich mit Prof. R. Bills Aussagen von immer mehr und kleinerer Sensorik und den dazugehörigen Maschinen für die Landwirtschaft, die miteinander kommunizierten. „Der Landwirt möchte wissen, was draußen auf dem Acker passiert“, unterstreicht Prof. R. Bill. Und dafür brauche es moderne Werkzeuge, die miteinander kommunizieren – angefangen bei Sensoren über Traktoren und Robotern bis zu Drohnen. Dies vor Augen reiche seiner Meinung nach die „Evolution“ der GIS-Anwendungen als reines Werkzeug verstanden bis zu heutigen komplexen Multisensorsystemen und der KI inklusive Deep-Learning-Prozessen. Prof. R. Bill umschreibt die technische Entwicklung im Geoinformationsbereich mit den „schneller, höher und weiter“. Damit einhergehen vielfältige neue Möglichkeiten, nicht nur bei der Landwirtschaft 4.0 und der intelligenten Stadtentwicklung, sogenannter Smart Cities.

Alle Lebens- und Arbeitsbereiche profitieren von der „Geoinformatik als Querschnittsthema“, wie es Prof. R. Bill resümiert, und letztendlich von deren Evolution. So unter anderem mittels der Echtzeitmessung, dem Gesamtmonitoring und der räumlich und zeitlich genaueren Auflösung oder mithilfe neuer Sensoren und Methoden. Unter anderem Landwirte, Stadtverantwortliche und Planer, aber auch Energieversorger und Mobilitätsunternehmen nutzen die sich bietenden digitalen Möglichkeiten einer immer stärker vernetzten Geo-IT-Welt. Die kommende Münchner GI-Runde öffnet am 18. und 19. März 2025 wieder ihre Türen an der TUM und wird vom Runden Tisch GIS veranstaltet.

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