Wissenschaft & Forschung

Kleinstsatelliten: Formationsflug im Orbit

Die Technische Universität Berlin setzt mit dem NanoFF-Projekt neue Maßstäbe in der Kleinsatellitenentwicklung. Nun sind gerade zwei Satelliten erfolgreich gestartet.

Kleinstsatelliten im Orbit: NanoFF-Satellit mit entfalteten Solarpaneelen. Bild: TU berlin

Am Freitag, den 1. Dezember 2023, sind zwei Kleinstsatelliten der Technischen Universität Berlin erfolgreich von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien mit einer Falcon 9 der Firma SpaceX in den Erdorbit gebracht worden.

Formationsflug im Orbit

Das primäre Missionsziel sei eine Pionierleistung für die TU Berlin, wie Projektleiter Jens Freymuth erläutert: NanoFF sei ein Akronym und stehe für Nanosatelliten im Formationsflug. Wie der Name vermuten lasse, wolle man mit zwei hochintegrierten kompakten Cubesats, standardisierte kleine Satelliten von etwa 20x10x10 cm, einen Formationsflug im Orbit realisieren. Beide werden im Erdorbit ausgeworfen, einer fliegt voran, und der andere wird den Satelliten quasi verfolgen und in ein Helix-Orbit, eine feste Formation mit diesem Satelliten, eingehen.

Die beiden Satelliten sind die Nummer 28 und 29 in der über 30-jährigen Kleinsatellitenentwicklung der TU Berlin. Damit ist die TU Berlin weltweit führend in Bezug auf Anzahl der universitären Kleinsatelliten im Erdorbit.

Die bevorstehende Mission markiert mehrere bedeutende Fortschritte:

  • Aktives Antriebssystem: Zum ersten Mal werden Satelliten der TU Berlin mit einem aktiven Antriebssystem ausgestattet sein. Dieses Heißwasser-Antriebssystem, frei von giftigen Substanzen, ermöglicht präzise Manöver beider Satelliten und stellt somit die Manövrierfähigkeiten im Orbit sicher.
  • Formationsflug: Beide Satelliten können mithilfe des miniaturisierten Antriebssystems eine Formation einnehmen und im aktiven Formationsflug operieren, was innerhalb dieser Größenklasse von Kleinsatelliten eine Innovation in der Raumfahrttechnologie darstellt.
  • Kompakte Größe: Mit einer Größe von nur ca. 20x10x10 cm und einem Gewicht von etwa 3,2 kg pro Satelliten repräsentieren die beiden Nanosatelliten innovative Fortschritte in der Miniaturisierung von Satellitentechnologie. Durch das hochintegrierte und kompakte Design kann zukünftig der gleiche Funktionsumfang auf kleineren Satelliten umgesetzt werden. Durch die so eingesparten Kosten in der Entwicklung und beim Start eröffnen sich neue Einsatzmöglichkeiten und Geschäftsfelder. So können beispielsweise auch kleinere Unternehmen und Startups kostengünstig Technologien im Erdorbit erproben und die Entwicklungszeiträume neuer Technologien verkürzt werden. Der angetriebene Formationsflug ermöglicht zudem Satellitenkonstellationen mit Kleinsatelliten, die zukünftig unter anderem Stereo-Bilder der Erde zur Bestimmung der Topografie oder Vermessung von Gebirgen und Gletschern liefern können. Solche Bilder sind wichtig zur Analyse der Folgen des Klimawandels. Des Weiteren können Satelliten im Formationsflug auch Signalquellen auf der Erde triangulieren, was für Anwendungen wie die Lokalisierung von Störquellen an entfernten Orten oder etwa die Ortung von Personen bei der Seenotrettung im Ozean hilfreich sein kann.
  • Nutzlastvolumen: Im Vergleich zu anderen Kleinsatelliten verfügt der Tubix-5 Satellitenbus der NanoFF-Satelliten über eine besonders hohe Nutzlastkapazität im Vergleich zum Gesamtvolumen. Dadurch können in Bezug auf die Größe des Satelliten besonders viele wissenschaftliche Experimente untergebracht werden. Die NanoFF-Satelliten tragen aktuell zur Technologiedemonstration als Nutzlast vier hochauflösende Kameras mit mehreren Spektralkanälen zur Erdbeobachtung, wie zum Beispiel die Analyse der Vegetation.
  • Erprobung neuer Technologien: Die Satelliten sind zusätzlich mit entfaltbaren Solarpaneelen ausgestattet, um genügend Energie für verschiedene Experimente zur Verfügung zu stellen. Zur hochgenauen Bestimmung der Position im Erdorbit besitzen die Satelliten sowohl GNSS-Empfänger als auch Laser-Retroreflektoren, mit denen sie von der Erde aus geortet werden können. Zusätzlich werden drei neuartige, miniaturisierte Sternkameras erprobt, mit Hilfe derer die Lage des Satelliten im Weltraum anhand von Sternkatalogen präzise bestimmt werden kann.

Nachhaltige Raumfahrt mit Kleinsatelliten

Beide NanoFF-Satelliten werden innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss der wissenschaftlichen Mission wieder in die Erdatmosphäre eintreten und vollständig verglühen. Dieser Zeitraum liegt deutlich unter den aktuell anerkannten internationalen Richtlinien von 25 Jahren. Zusätzlich können Satelliten mit dem Antriebssystem ihren Orbit bei Bedarf anpassen, um Kollisionen zu vermeiden oder den Wiedereintritt zu beschleunigen. Die TU Berlin versucht damit, das Kollisionsrisiko zu vermeiden und Weltraummüll zu reduzieren. Ebenso können Kleinsatelliten mit Antriebssystem und Formationsflug- beziehungsweies Rendezvousfähigkeiten zukünftig dabei helfen, Weltraummüll aktiv zu beseitigen oder defekte Raumfahrzeuge zu reparieren – ein weiterer Forschungsschwerpunkt des Fachgebietes Raumfahrttechnik der TU Berlin.

Raketenstart mit Orbital-Transfervehikel

Der Start erfolgte in Zusammenarbeit mit der Firma D-Orbit. Die Nanosatelliten befanden sich während des Raketenstarts nicht wie sonst üblich in einem Auswurfcontainer, sondern im separaten Raumfahrzeug ION, das sich von der Falcon-9 Rakete löst und im Anschluss bei Bedarf die Bahnparameter leicht anpassen kann, um die Satelliten der Kunden in einen spezifischen Orbit zu bringen. Die gestarteten Kleinsatelliten sind also nicht ausschließlich auf den Orbit der Hauptnutzlast angewiesen, sondern es können spezielle Anforderungen umgesetzt werden. Im Rahmen der NanoFF Mission gelten zum Beispiel besondere Anforderungen in Bezug auf den Auswurfzeitpunkt, -ort und die Separationsparameter.

Weitere Informationen unter www.tu-berlin.de

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