Fachbeiträge

Erstellung eines präzisen Realitätsnetzes für das Borratino-Viadukt

Italferr, ein italienisches Unternehmen und Mitglied der Gruppe Ferrovie dello Stato Italiane, ist auf Ingenieurwesen spezialisiert und hat mehr als 30 Jahre Erfahrung im Infrastrukturbereich. Die Schwerpunkte liegen im Schienen-, U-Bahn- und Straßenverkehr sowie bei Häfen und Bahnhöfen. Italferr ist ein sehr innovatives Unternehmen und am gesamten Lebenszyklus der Infrastruktur beteiligt, unter anderem bei der Planung, Beschaffung, im Management und bei der Überwachung der Bauphase.

Mittels ContextCapture führte Italferr Bilder von drei Flugebenen zusammen. Es entstand ein genaues, hochauflösendes Netz. Bild: Italferr

Autorin: Aude Camus

Im Zuge der Erneuerung des Borratino-Viadukts in Reggello war Italferr für das Erstellen einer digitalen Darstellung des Bauwerks verantwortlich, die zukünftige Planungen unterstützen soll. Um diese Darstellung zu realisieren, nutzte das Unternehmen eine topographische Vermessung, koordinierte die Aktivitäten vor Ort und im Büro und nutzte hierzu Anwendungen verschiedener Anbieter. Die Darstellung musste als präzises 3D-Reality-Mesh-Modell mit mehreren Auflösungen erfolgen, um das Bauwerk in den Kontext seiner Umgebung zu setzen. Das Viadukt hat eine Länge von 1.300 m und besteht aus Stahlbeton mit 50 Spannweiten, was seine Vermessung erschwert.


Einsatz von Drohnen- und Lasertechnologie zur Vermessung der Baustruktur

Italferr wollte sicherstellen, dass die digitale Rekonstruktion so präzise wie möglich sein würde. Daher wurden verschiedene Vermessungsmethoden auf das Viadukt angewendet. Dazu gehörte auch eine topographische Vermessung, bei der ein GPS-Kartierungsnetz für die geometrische Nivellierung bekannter Punkte verwendet wurde. Dabei handelt es sich um eine genaue Quervermessung. Außerdem wurden mithilfe der Luftbild-Photogrammetrie digitale Orthofotos in Farbe aufgenommen und daraus digitale Karten der Umgebung erstellt. Weiterhin setzte Italferr eine Drohne ein, um Bilder zu erfassen, die mit der Luftbild-Photogrammetrie nicht aufgenommen werden konnten. Das Projektteam führte zwei Drohnenflüge durch und nahmen insgesamt 751 Bilder auf. Italferr platzierte zudem 95 Ziele auf dem Boden, die zur Bildorientierung georeferenziert wurden. Darüber hinaus setzte das Unternehmen sehr genaue Laserscanner ein, um die Fahrbahnplatte und die Pfeiler zu vermessen. Mit diesen Instrumenten wurden 200 Scans erfasst und 20 Milliarden Punkte gemessen. Schließlich führte Italferr eine tachymetrische Vermessung der zu analysierenden Strecke und Bauwerke durch.

Die Größe des Viadukts stellte für Italferr ein Hindernis dar, da es schwierig war, die Daten aus verschiedenen Technologien effizient und detailliert zu integrieren. „Um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, war es notwendig, jedes noch so kleine Detail auszuwerten“, so Vincenzo Conforti, Leiter der Abteilung für Leitungen, Knotenpunkte und Streckenplanung bei Italferr. Italferr ist es gelungen, mit mehrfachen Vermessungen unter Einsatz komplexer Technologien ein hohes Maß an Genauigkeit zu erreichen. Bei einem umfangreichen Datensatz aus so unterschiedlichen Quellen musste Italferr jedoch dafür sorgen, dass alle Informationen, auf die sie Zugriff hatten, optimiert wurden. Der Umfang der Vermessungsdaten stellte eine neue Herausforderung für die Integration dar. Das Unternehmen hatte Mühe, eine Software zu finden, die dies bewerkstelligen konnte.


Integration von Daten für eine präzise Modellierung

Italferr stellte fest, dass ProjectWise, ContextCapture und OpenRail Designer von Bentley die effektivsten Möglichkeiten für die Integration der Daten und die Erstellung ihres präzisen Reality Meshes waren. „Mit dem Einsatz von ProjectWise konnten wir die umfangreiche Menge an Daten strukturiert verwalten und organisieren und auf diese Weise einen intelligenten und effektiven Informationsaustausch ermöglichen“, so V. Conforti. Italferr erstellte dann mit ContextCapture das Netz im 3MX-Format, sodass sie einzelne Kacheln verändern konnten. 3SM war das ideale Format, um das Netz außerhalb von ContextCapture hochzuladen. Daher nutzte Italferr OpenRail Designer, um das 3MX-Netz nahtlos in das 3SM-Format zu konvertieren.

Das Team setzte dann die Software von Bentley ein, um die durch Drohnenflüge und Laserscans gewonnenen Daten separat zu verarbeiten und dem Anwender die Möglichkeit einer späteren Integration zu bieten. Dank dieser Funktion konnte Italferr die Daten frei analysieren und sie sowohl einzeln als auch im Zusammenhang betrachten. Anhand des hochpräzisen Reality Meshes konnte das Ausmaß der Beschädigungen der Pfeiler, wie freiliegende oder feuchte Bereiche, erkannt werden. Mit einer solchen Präzision kann das Netz auch zukünftige Projekte und Wartungsarbeiten unterstützen.

Italferr erkannte, dass sie das Netz zur Verwaltung eines iModels, einer relationalen Datenbank mit den Elementen eines digitalen Zwillings, nutzen konnten. Die Modelle konnten in einer Vielzahl von Formaten über ContextShare auf die Bentley iTwin-Plattform hochgeladen werden. Anhand des iModels konnte das Team überprüfen, ob das aus den Vermessungsdaten erstellte digitale Modell eine genaue Darstellung des Bauwerks war, indem es das Reality Mesh und das BIM-Modell gleichzeitig betrachtete. Das iModel diente als Datenbank und als Vergleich für die Bewertung zukünftiger Modelle.


Schnellere, einfachere und präzisere Modelle

Durch die Verwendung von ContextCapture konnte Italferr Bilder auf drei Flugebenen zusammenführen, um Überschneidungen und Millionen von Verbindungspunkten zwischen ihnen zu identifizieren. Das Ergebnis war ein präzises, hochauflösendes Netz. Die Software verkürzte die Zeit, die für die Auswertung der großen Datenmengen benötigt wurde, indem sie 3 Milliarden Punkte gleichzeitig analysierte. Italferr nutzte zwei Computer, um die Software parallel laufen zu lassen, was die Bearbeitungszeiten erheblich verkürzte. Mit der Software wurden ca. 35 Milliarden Punkte aus der Vermessung verarbeitet, wofür ca. 1.000 Computerstunden und 200 Stunden für die Bearbeitung aufgewendet wurden.

„Die ContextCapture-Software ermöglichte es, dynamisch und digital zu arbeiten. Zum ersten Mal war es möglich, eine große Menge an Daten zu verwalten, die bisher von keiner Software bewältigt werden konnte“, so V. Conforti. Die Anwendungen von Bentley halfen Italferr bei der Optimierung der Vermessungsdaten zur Unterstützung des zukünftigen Infrastrukturmanagements, indem sie die Genauigkeit des Reality Meshes erhöhten und gleichzeitig Zeit sparten.

Aude Camus, Senior Product Marketing Manager, Bentley Systems
Bild: Bentley Systems

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