Wissenschaft & Forschung

Digitale Geologie unterstützt bei der Suche nach Thermalwasser

Damit die Energiewende gelingt, sind Ressourcen wie zum Beispiel Thermalwasser gefragt, die mithilfe von digitaler Geologie gefunden werden können.

Professor Florian Wellmann, Ph.D., leitet am Fraunhofer IEG das Competence Center „Exploration und Reservoirsimulation“. Bild: Jünger/Fraunhofer IEG

Geothermie mit der Ressource Thermalwasser, Wasserstoffspeicher, Lithium – der Untergrund in Deutschland bildet eine wichtige Ressource, damit die Energiewende und insbesondere die Wärmewende mithilfe digitaler Geologie gelingen kann. Um die unterirdischen Reservoire nachhaltig und zuverlässig zu erschließen, bedienen sich Geologen moderner Algorithmen und integrieren vielschichtige Daten zu skalenübergreifenden Modellen. Mit seiner neuen Forschungsgruppe am Fraunhofer IEG will Florian Wellmann die Modelle nun auch in erfolgreiche Explorationen für Industrie und Kommunen umsetzen.

Thermalwasser für Fernwärme nutzen

„Die Tiefengeothermie bietet die große Chance, Industrie und Fernwärmenetze zuverlässig mit lokaler, nachhaltiger und bezahlbarer Wärme zu versorgen“, stellt Wellmann fest, der am Fraunhofer IEG das Competence Center „Exploration und Reservoire-Simulation“ leitet und an der RWTH Aachen lehrt. „Die Suche nach der unterirdischen Wärme profitiert von smarter Datenverarbeitung etwa mittels Digitalen Zwillingen und Maschinellem Lernen.“

Unter Tiefengeothermie versteht man die Förderung von heißem Thermalwasser aus mehreren Kilometern Tiefe und die Einspeisung seiner Wärme in überirdische Netze und Prozesse, etwa für die Fernwärme von Städten oder die Produktion in Industrieunternehmen. Die aktuelle Roadmap von Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft schätzt, dass Tiefengeothermie rund 25 Prozent des Wärmebedarfes Deutschlands decken könnte. Dazu ist es jedoch im ersten Schritt notwendig, die Reservoire des bis zu 150 Grad Celsius heißen Wassers zuverlässig aufzufinden. Erfolgreiche Methoden aus der Suche nach Öl- und Gas gilt es nun, für die Suche nach Thermalwasser in bis zu fünf Kilometern Tiefe zu optimieren.

Digitale Geologie unterstützt bei der Suche

Am Fraunhofer IEG stellt sich Wellmann mit seinem Team der Herausforderung, geologische Daten aus kleinen und großen Skalen für konkrete Anwendungen zu integrieren. Die Materialeigenschaften im Mikrometerbereich wechselwirken mit den Eigenschaften von Lagerstätten mit mehreren Kilometern Ausdehnung. Die Algorithmen des maschinellen Lernens, die die geologischen Daten zu Untergrundmodellen verknüpfen, ähneln den bildgebenden Verfahren aus der nicht-invasiven Medizin oder der zerstörungsfreien Werkstoffkunde. Da man das Untersuchungsobjekt, also eine Lagerstätte, eine Leber oder das Innere einer Schweißnaht nur indirekt beobachten kann, ist man darauf angewiesen, die von außen verfügbaren Informationen effizient zu nutzen, mit fundiertem Vorwissen zu verknüpfen und stets auch die Unsicherheiten der Vorhersagen zu berücksichtigen.

„Letztlich wollen wir mit unseren geologischen Modellen Projektentwickler in der Industrie, bei den Stadtwerken und in den Kommunen unterstützen, betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu fällen. Dafür sind standortbezogene Aussagen über Erschließung, Wärmeleistung und Betriebsstrategie ebenso notwendig wie eine fundierte Abschätzung deren Unsicherheit“, so Wellmann. „Dank der modernsten Methoden wollen wir die jahrzehntelange Lernkurve von Geothermie-Pionieren wie den Städten München oder Paris für Städte in NRW auf wenige Jahre verkürzen. Wir schärfen heute die sprichwörtliche Axt, damit die Energieversorger morgen viele ‚geothermale Bäume‘ fällen können.“

An der RWTH leitet Wellmann den „Lehrstuhl für Angewandte Geophysik“ und lehrt über computergestützte Geowissenschaften, Geothermie und Geophysik der Reservoire. Er forscht über den Einfluss von Unsicherheiten auf die Aussagekraft von geologischen Simulationen und Modellen, etwa in der Geothermie oder der Kohlenstoffsequestrierung. Um die geothermalen Ressourcen bessern zu verstehen, nutzt er Methoden der Künstlichen Intelligenz wie etwa modellbasiertes maschinelles Lernen, entwickelt digitale Zwillinge von geologischen Systemen oder nutzt statistische Verfahren wie Monte-Carlo-Simulationen. Die Visualisierung geophysikalischer Daten und insbesondere von deren Unsicherheiten bilden eine besondere Herausforderung seiner Arbeit. Mit seiner Forschungsgruppe beteiligt er sich an der Entwicklung der Geomodellierungs-Software Gempy und teilt diese als Open-Source-Projekt mit Interessierten aus Wissenschaft und Wirtschaft.

Weitere Informationen unter www.ieg.fraunhofer.de

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