Wissenschaft & Forschung

KIT-Studien beleuchten Faktoren für Flutkatastrophe

Zwei aktuelle Studien des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zeigen Faktoren, die zur Flutkatastrophe in der Eifel 2021 führten.

 

Ein Jahr ist seit der Flutkatastrophe in der Eifel vergangen, bei der das Hochwasser allein im Ahrtal über 100 Brücken beschädigte oder vollständig zerstörte. KIT-Studien erforschen die begünstigenden Faktoren. Bild: Dominik Kuhn

Wie Niederschläge, Verdunstungsprozesse, Gewässer- und Abflussverhalten dieses Hochwasser begünstigten, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in zwei Studien untersucht. Auf rund 32 Milliarden Euro schätzt die deutsche Bundesregierung den Gesamtschaden der verheerenden Überschwemmungen im Juli 2021. Um künftig besser auf solche Extremereignisse vorbereitet zu sein, raten die Forschenden dazu, bei Risikobewertungen die Landschaft und Flussverläufe, deren Veränderungen und den Sedimenttransport stärker zu berücksichtigen. Zukunftsprojektionen zeigen außerdem eine zunehmende räumliche Ausdehnung und Häufigkeit solcher Extremereignisse sowie erhöhte Niederschlagsmengen.

Flutkatastrophe verursachte immense Schäden

Das Hochwasser im Juli 2021 gehört zu den fünf schwersten und teuersten Naturkatastrophen der letzten 50 Jahre in Europa. Mehr als 180 Menschen verloren ihr Leben, weit über 10.000 Gebäude wurden beschädigt. Kritische Infrastrukturen wie Strom- und Wasserversorgungsnetze, Brücken, Bahnstrecken und Straßen wurden teilweise oder vollständig zerstört. Das Gesamtausmaß des Hochwassers am 14. und 15. Juli 2021 in der Eifel war auch für Experten überraschend. Eine Kombination mehrerer Faktoren bedingte diese Katastrophe: Sie hätten untersucht, wie Niederschläge, Verdunstungsprozesse sowie Gewässer- und Abflussverhalten dieses Hochwasser begünstigt hätten, sagt Dr. Susanna Mohr, Geschäftsführerin des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (Cedim) am KIT, welche die Studie zusammen mit einem interdisziplinären Team aus mehreren Instituten des KIT erstellt hat.

Geschiebe erhöhte das Ausbreiten sowie die Auswirkungen des Hochwassers an der Ahr

An der Ahr bewegte sich die geschätzte Wasserabflussmenge 2021 in einer ähnlichen Größenordnung wie bei den historischen Hochwasserereignissen 1804 und 1910. Trotzdem lagen die Pegelstände 2021 an mehreren Orten deutlich höher. Sie hätten gesehen, dass sich die Art des Geschiebes – also Material, das durch ein Fließgewässer mittransportiert werde – erheblich verändert habe. Neben Abtragungen von Sedimenten und bereits vorhandenem Totholz habe der anthropogene, also vom Menschen verursachte Einfluss, eine erhebliche Rolle gespielt, sagt Mohr. So hätten sich etwa Fahrzeuge, Wohnwagen, Mülltonnen oder Baumaterialien an Brückenbereichen gestaut, was zu zusätzlichen Engpässen geführt und die Auswirkungen des Hochwassers weiter verschärft habe. Um zukünftig besser auf solche Ereignisse vorbereitet zu sein, sei es beim Hochwasserrisikomanagement notwendig, Landschaft, Infrastrukturen und Bebauung sowie Flussverläufe einschließlich deren Veränderungen und mögliche Sedimenttransporte in die Gefährdungsbeurteilung miteinzubeziehen.

Niederschlagsausmaß nicht einzigartig

Die Forschenden verglichen weiterhin das Niederschlagsereignis vom Juli 2021 mit historischen Niederschlagsaufzeichnungen: Die Analysen zeigten, dass die beobachtete Gesamtniederschlagsumme mit zu den höchsten der letzten 70 Jahre in Deutschland zähle – und somit extrem, aber nicht einzigartig gewesensei, sagt Dr. Florian Ehmele vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Department Troposphärenforschung (IMK-TRO). Die Niederschlagsereignisse, die beispielsweise zu den schweren Hochwassern in Berlin und Brandenburg 1978 oder an der Elbe 2002 geführt hätten, seien sowohl hinsichtlich ihrer Niederschlagsintensität als auch ihrer Ausdehnung oder Lebensdauer deutlich stärker gewesen. Allerdings seien vergangene Niederschlagsereignisse, die mit dem im Juli 2021 vergleichbar sind, überwiegend im Osten und Süden von Deutschland und seltener im Westen beobachtet worden.

KIT-Studien zeigen: Klimawandel verstärkt künftige Hochwasserereignisse

Zusätzlich haben die Forschenden des KIT das Hochwasserereignis unter verschiedenen Klimarandbedingungen simuliert. Die Intensität solcher Niederschlagsereignisse nimmt um circa sieben Prozent pro Grad Erwärmung zu. Die Simulationen zeigen, dass sich die Niederschlagsmenge bereits jetzt um elf Prozent gegenüber vorindustriellen Bedingungen erhöht hat. Bei fortschreitender globaler Erwärmung muss man also von einer weiteren Verstärkung des Niederschlags ausgehen. Aber nicht nur das ist zukünftig ein Problem: Laut der Zukunftsprojektionen dehnen sich solche Extremereignisse zusätzlich sowohl räumlich als auch zeitlich aus und deren Häufigkeit nimmt zu.

Risikokompetenz der Bevölkerung muss verbessert werden

Das schwere Hochwasser im Juli 2021 habe somit gezeigt, wie wichtig es ist, auf derartige Ereignisse vorbereitet zu sein und angemessen zu reagieren, so die Forschenden. Um die Resilienz, also die Widerstandfähigkeit im Falle von Katastrophen, zu erhöhen und somit Schäden und Opferzahlen zu verringern, gelte es daher, neben dem Gefahrenpotenzial auch die Verwundbarkeit von Systemen und soziale Aspekte miteinzubeziehen. Ein essenzieller Bestandteil von Resilienz sei dabei die Risikokompetenz der Bevölkerung, also das Wissen um angemessene und rasche Handlungsmöglichkeiten bei Eintritt einer Katastrophe.

Das Cedim, eine interdisziplinäre Einrichtung des KIT, forscht zu Katastrophen, Risiken und Sicherheit. Ziel ist, natürliche und menschengemachte Risiken in einer sich rasch verändernden, von Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Klimawandel geprägten Welt genauer zu verstehen, früher zu erkennen und besser zu bewältigen. Dazu verbinden die Forschenden Risikoerfassung, Risikoanalyse, Risikomanagement und Risikokommunikation und entwickeln darauf aufbauend Konzepte zum Verbessern der Resilienz von Infrastrukturen und Versorgung.

Weitere Informationen unter www.kit.edu/

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