Wissenschaft & Forschung

Insektenschwund: Pufferzonen notwendig

Eine Raumanalyse des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) zeigt den Bedarf an Pufferzonen zwischen Ackerflächen und Naturschutz-Arealen.

Eine Raumanalyse zeigt den Bedarf an Pufferzonen zwischen Ackerflächen und Naturschutz-Arealen. Bild: H. Oertel/IÖR-Media

Mit einer Raumanalyse zu Größe und Lage von Ackerflächen in Schutzgebieten liefert das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) wichtige Grundlagen für die Diskussion zu Insektenschwund, Pestizidbelastungen in Schutzgebieten und möglichen Pufferzonen.

Mehr als 440 Quadratkilometer Ackerfläche befinden sich in Naturschutzgebieten, fast 1.300 sind es in FFH-Gebieten (zum Schutz von Tieren (Fauna), Pflanzen (Flora) und Lebensraumtypen (Habitat)). Dies zeigt eine aktuelle Studie, die in der April-Ausgabe der Fachzeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung“ erschienen ist. Die Studie ist Teil des interdisziplinären Forschungsprojektes „Dina – Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Deutlicher Insektenschwund

Studien belegen, dass die Insekten-Biomasse in deutschen Naturschutzgebieten, also die Masse aller dort lebenden Insekten, in den vergangenen 30 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen ist. Die vom Weltbiodiversitätsrat (IPBES) beschriebene Krise der biologischen Vielfalt hat in Deutschland also längst auch die Schutzgebiete erreicht – mit bedenklichen Folgen. Ohne Insekten brechen Ökosysteme zusammen. Sie fehlen zum Beispiel als wichtige Nahrungsgrundlage für andere Tiere. Als eine der Hauptursachen für den dramatischen Rückgang vermuten Experten Pestizide.

Das Fatale: Ackerflächen, die in Deutschland zum Großteil konventionell, also mit Pestizideinsatz bewirtschaftet werden, liegen mitten in Schutzgebieten oder ragen in diese hinein. Das zeigt nun eine vom IÖR durchgeführte Raumanalyse. Sie liefert erstmals konkrete Zahlen zu Größe und Lage von Ackerflächen in und in der unmittelbaren Umgebung von Naturschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Gebieten.

Einfluss auf Naturschutzgebiete

Als Datenbasis diente dabei das Digitale Landbedeckungsmodell 2018 (LBM-DE) des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (BKG), in dem Ackerflächen ausgewiesen sind. Innerhalb von Naturschutzgebieten haben die Forschenden des IÖR rund 440 Quadratkilometer Ackerfläche ermittelt (entspricht rund 61.000 Fußballfeldern), in FFH-Gebieten waren es 1.283 Quadratkilometer (entspricht der Hälfte der Fläche des Saarlandes). Ackerflächen grenzen auf mehr als 11.000 Kilometer Länge unmittelbar an Naturschutzgebiete. Bei den FFH-Gebieten beläuft sich diese Kontaktlinie sogar auf rund 21.100 Kilometer. Damit ist diese Linie länger als die Luftlinie zwischen Nord- und Südpol – ein Indiz dafür, wie stark Ackerflächen Naturschutzgebiete beeinflussen können.

Doch nicht nur Ackerflächen, die direkt in den Schutzgebieten liegen, stellen ein Problem dar. Auch von Flächen in der Umgebung geht Gefahr für Insekten aus, beispielsweise durch die Abdrift von Pestiziden. Eine frühere Raumanalyse des IÖR im Projekt DINA hatte zudem gezeigt, dass viele Insekten mit großem Flugradius Pestizide auf Ackerflächen in einem Umkreis von bis zu zwei Kilometern aufnehmen.

Deshalb haben die Forschenden auch bei der aktuellen Analyse das Untersuchungsgebiet erweitert. Das Ergebnis: In einem Radius von zwei Kilometern um die Naturschutzgebiete finden sich fast 38.500 Quadratkilometer Ackerflächen (entspricht mehr als der Fläche von Baden-Württemberg). Davon grenzen rund 23.200 Quadratkilometer unmittelbar an ein Naturschutzgebiet oder reichen in dieses hinein. Bei den FFH-Gebieten liegen rund 63.000 Quadratkilometer Ackerfläche, mehr als das Doppelte der Fläche von Brandenburg, innerhalb des untersuchten Zwei-Kilometer-Radius. Mehr als 41.600 Quadratkilometer davon grenzen direkt an die FFH-Gebiete oder reichen in diese hinein.

Pufferzonen notwendig

Würde man den Pestizideinsatz auf Ackerflächen in Naturschutzgebieten verbieten, so würde dies rund 0,36 Prozent der gesamten Ackerfläche in Deutschland betreffen, erläutert Lisa Eichler vom IÖR, die die Analyse durchgeführt hat. Mit Blick auf die FFH-Gebiete beträfe ein solches Verbot rund ein Prozent der Gesamtackerfläche. Um Insekten aber effektiver vor Pestiziden zu schützen, lege ihre Untersuchungen nahe, dass Pufferzonen um Schutzgebiete etabliert werden müssten. Würde man bei einem Verbot von Pestiziden eine Pufferzone mit einem Radius von zwei Kilometern berücksichtigen, beträfe dies bei den Naturschutzgebieten weitere rund 31 Prozent und bei den FFH-Gebieten rund 51 Prozent der Gesamtackerfläche Deutschlands. Addieren ließen sich die Zahlen für die Naturschutz- und FFH-Gebiete nicht, da sich beide Schutzgebiet-Kategorien häufig überlappen.

Auf eine wichtige Einschränkung der nun vorliegenden Daten weisen die Forschenden hin: Die aktuelle Raumanalyse erlaubt derzeit noch keine Differenzierung zwischen Öko-Landbau und konventionell bewirtschafteten Flächen, da hierzu raumscharfe Daten fehlen. Im Jahr 2020 betrug der Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen allerdings unter zehn Prozent an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche.

Weitere Informationen unter www.ioer.de/

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