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Der Siegeszug des Doublegangers

„Ich nannte ihn Doubleganger“ titelte ein Telekommunikationsunternehmen in einem Beitrag aus dem Jahr 2018. Was nach Spionage und James Bond klingt, ist in Wirklichkeit eine so oder ähnlich getätigte Aussage von Dr. Michael Grieves. Michael wer? Das fragen sich jetzt sicher einige Leser dieses Beitrags. Um es kurz zu machen: Dr. M. Grieves gilt als Vater des digitalen Zwillings. Der Beitrag zitiert Dr. M. Grieves mit den Worten: „Damals konnten wir einen umfassenden digitalen Zwilling überhaupt nicht umsetzen.“

Der digitale Zwilling und sein Siegeszug durch die Städte und Kommunen. Bild: stock.adobe.com (Tierney)

Und weiter heißt es: „Doch ich war zu dem Zeitpunkt seit mehr als 30 Jahren in der IT-Branche unterwegs und der festen Überzeugung, dass Computer irgendwann so stark sein würden, meine Ideen zu verwirklichen.“ Recht sollte der IT-Spezialist behalten. Denn heute – über 20 Jahre später – ist seine „Erfindung“ in Städten, Unternehmen und der Wissenschaft ein heißes Thema und in fast aller Munde. So auch im Rahmen des <a href="https://rundertischgis.de/veranstaltungen/kommunales-gis-forum/1272-kommunales-gis-forum-2021-2.html">Kommunalen GIS-Forums </a>, veranstaltet vom Runden Tisch GIS e. V., am 9. November 2021.

„Seinen Siegeszug trat der digitale Zwilling vor über zehn Jahren an.“ Eine zeitliche Einordnung, die Prof. Dr. Thomas H. Kolbe in seinem Impulsvortrag anlässlich der Online-Konferenz den rund 250 Teilnehmern vermittelte. Das Konzept entstand nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden des Runden Tisch GIS e. V. im Kontext der Industrie 4.0 und wurde zuerst in den Bereichen des Maschinenbaus, der Luft- und Raumfahrt, der Energietechnik und der Automobiltechnik angewandt. Und damit genug der Rückschau und mitten rein in die aktuellen Entwicklungen rund um den Digital Twin als „door opener“ einer digitalen Veranstaltung mit rund 250 Teilnehmern.

Von der realen in die digitale Welt

Wie immer geht es bei Begriffen auch stets um inhaltliche Eingrenzungen und Definitionsversuche. Prof. Dr. T. H. Kolbe bezieht sich bei der Definition des digitalen Zwillings auf die Deutsche Gesellschaft für Informatik. Nach deren Lesart handelt es dabei um „eine digitale Repräsentanz eines materiellen oder immateriellen Objekts oder Prozesses aus der realen Welt in der digitalen Welt“. Dabei sei es nach Prof. Dr. T. H. Kolbes Worten unerheblich, ob das Gegenstück in der realen Welt bereits existiere oder erst in der Zukunft Wirklichkeit werde. Neben dem übergreifenden Datenaustausch besteht der Digital Twin aus Modellen des repräsentierten Objekts oder Prozesses. Er kann Simulationen, Algorithmen und Services enthalten, die Eigenschaften oder Verhalten des repräsentierten Objekts oder Prozesses beschreiben, beeinflussen, oder Dienste darüber anbieten. Wichtig erscheint vor allem die Möglichkeit, Daten zu Betriebszuständen und Veränderungen über den ganzen Lebenszyklus zu kumulieren.  

Gesamtprozess und Anwendungsszenarien

Anhand eines Turbinenbeispiels verdeutlichte Prof. Dr. T. H. Kolbe, dass ein digitaler Zwilling für jedes Exemplar einer Turbine die spezifischen Daten beinhalte – von Modelldaten bis zu Mess- und Wartungsprotokollen. So lasse sich seiner Meinung nach beispielsweise eine umfassende kumulative Dokumentation realer Objekte erstellen sowie Messungen der jeweiligen Eigenschaften während des Betriebs durchführen. Wichtig seien nach Prof. Dr. T. H. Kolbes Worten auch „Was-wäre-wenn“-Szenarien. Den Nutzen eines Digital Twin ergeben sich zudem aus dem „Dreiklang“ des Entwurfs, der Simulation sowie der Konstruktion. Sein Fazit fällt denn auch mit Blick auf den Gesamtprozess positiv aus, denn es bestehe ein hoher Nutzen eines digitalen Zwillings in allen Phasen des Lebenszyklus.

Prof. Dr. T. H. Kolbe untermauerte seine Einschätzung unter anderem mit dem Beispiel des digitalen Zwillings in München. Die Verantwortlichen der Landeshauptstadt München schreiben hierzu: „Das digitale Abbild der Landeshauptstadt München für Analysen, Simulationen und Was-Wäre-Wenn-Szenarien.“ Und weiter heißt es: „Der Digitale Zwilling ist das digitale Herzstück der Zukunftsstadt München.“ Anwendungsszenarien finden sich in München unter anderem im Sicherheitsumfeld, dem Klimaschutz oder im Bereich der Bürgerbeteiligung.

Den Vater des digitalen Zwillings, Dr. M. Grieves, wird es freuen. Denn seine Überlegungen in der Theorie führen heute zur vermehrten Anwendung in der Praxis – auch und gerade in den Städten. Anders formuliert ist es der Siegeszug des Doublegangers.

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