Wissenschaft & Forschung, Vermessung

Landschaftsdynamik in ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension verstehen

Heidelberger Geoinformatiker entwickeln eine neue computerbasierte Methode zur Analyse von topographischen Änderungen, um die Landschaftsdynamik in ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension verstehen.

Erkenntnisse aus derartigen Analysen bieten die Basis für weitere Untersuchungen eines bestimmten Phänomens oder der zugrundeliegenden Prozesse. Gleichzeitig eröffnen die Informationen zur dynamischen Entwicklung von Oberflächen neue Möglichkeiten der Parametrisierung – und Anpassung – von computerbasierten Umweltmodellen.

Analysemethode zeigt Landschaftsdynamik

Die Oberfläche der Erde unterliegt ständigen Veränderungen, durch die Landschaften dynamisch geformt werden. Globale Phänomene wie der Klimawandel spielen ebenso eine Rolle wie kurze, lokal auftretende Ereignisse natürlichen oder menschlichen Ursprungs. Zu einem besseren Verständnis derartiger formender Prozesse an der Erdoberfläche, die sich beispielsweise in Küstenregionen oder im Hochgebirge beobachten lassen, trägt eine von der Forschungsgruppe 3D-Geodatenverarbeitung (3DGeo) der Universität Heidelberg entwickelte neue Analysemethode bei. Im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren, bei denen in der Regel zwei Momentaufnahmen einer Landschaft miteinander verglichen werden, lässt sich mit dem Heidelberger Ansatz vollautomatisch und über längere Zeiträume hinweg nachvollziehen, wann und wo topographischer Wandel stattfindet und welcher Art die damit verbundenen Veränderungen sind. Ein Video vermittelt einen kleinen Eindruck davon.

Entwickelt wurde die Methode der „raumzeitlichen Segmentierung“ unter der Leitung von Prof. Dr. Bernhard Höfle, der mit seiner 3DGeo-Gruppe am Geographischen Institut und am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Universität Heidelberg forscht. Indem man ganze Oberflächenhistorien einbeziehe, ermögliche der neue computerbasierte Ansatz eine flexible Vorgehensweise. Anders als bei bisherigen Methoden müsse man sich beispielsweise nicht mehr darauf festlegen, welche einzelnen Änderungsprozesse man untersuchen möchte oder auf welche Zeitpunkte sich die Analyse beziehen soll, so der Geoinformatiker. Stattdessen würden vollautomatisch Flächen und ganze Zeiträume ermittelt, in denen ähnliche Veränderungen stattfänden. Die Analysemethode mache in den großen dreidimensionalen Datensätzen, die bei den automatischen Laser-Messungen im Gelände entstünden, verschiedene Vorgänge sichtbar, die der direkte Vergleich von nur zwei Messzeitpunkten nicht hergäben.

Zur Vermessung von Gebirgs- und Küstenlandschaften nutzt das Team um Prof. Höfle unter anderem das terrestrische Laserscanning (TLS). Dabei werden dreidimensionale Modelle einer Landschaft generiert, die als Milliarden von Messpunkten in 3D-Punktwolken dargestellt werden. Hierfür werden Messstationen vor Ort installiert, die über mehrere Monate hinweg in kurzen regelmäßigen Zeitabständen das Terrain vermessen und so dreidimensionale Serienaufnahmen erzeugen. Das besondere an diesen 3D-Zeitserien ist, dass sie Oberflächenveränderungen sowohl räumlich als auch zeitlich – also vierdimensional – auflösen, sodass diese anschließend wie im Zeitraffer nachvollzogen werden können.

Getestet haben die Heidelberger Geoinformatiker ihre Methode an einer 3D-Zeitserie eines Küstenabschnitts in den Niederlanden, der von Wissenschaftlern der Technischen Universität Delft über einen Zeitraum von fünf Monaten stündlich vermessen wurde. Die Analyse der Daten offenbarte über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg mehr als 2.000 Veränderungen, die temporäre Anhäufungen oder Abtragungen von Sand darstellen und die an verschiedenen Stellen, in unterschiedlichen Größenordnungen und über variierende Zeiträume hinweg auftraten. In diesem Fall ist der von der Messstation aufgezeichnete dynamische Sandtransport auf ein komplexes Zusammenspiel von Welleneinfluss, Wind sowie menschlichen Eingriffen zurückzuführen. Dadurch wurden im Durchschnitt auf einer Fläche von einhundert Quadratmetern in einem Zeitraum von vier Wochen mehrere Lkw-Ladungen Sand verlagert, ganz ohne den Einfluss großer Sturmereignisse.

Die Ergebnisse der gemeinsamen Studie mit der Technischen Universität Delft wurden in der Fachzeitschrift „ISPRS Journal of Photogrammetry and Remote Sensing“ veröffentlicht.

Weitere Informationen unter www.uni-heidelberg.de

Keywords: Geodäsie, Geoinformation, Geo, Geoinformatik, GI, 3D-Geodatenverarbeitung, Heidelberg, Interdisziplinäres Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen