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„Aus technologischer Sicht haben wir bei der Digitalisierung in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt“

Im Rahmen digitaler Stadtprojekte geht es nicht nur um Technik. Vielmehr müssen auch die Menschen einer Stadt stärker in den Gesamtprozess eingebunden werden. Wie das gelingen kann, warum Technik kein Selbstzweck sein sollte und welche Rolle Beteiligungsplattformen in den einzelnen Projekten spielen, das erklärt Prof. Dr. Volker Coors, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Forschung (IAF) der Hochschule für Technik in Suttgart (HFT), im Interview. Ein wichtiger Baustein bildet die partizipative Forschung, um eine sich wandelnde Metropolregion aktiv zu begleiten.

Bürgerbeteiligung: ein Schlüssel zum Erfolg in den digitalen Städten der Zukunft. Bild: stocke.adobe.com (Julien Eichinger)


Herr Prof. Coors, sprechen wir von digitalen Städten, so sprechen wir noch zu oft von einer rein technologischen Sicht auf die Dinge. Wie lassen sich Technik sowie die Menschen einer Stadt hinsichtlich smarter Stadtprojekte stärker und vor allem zielführender in Einklang bringen?

Aus technologischer Sicht haben wir bei der Digitalisierung in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Natürlich gibt es stets neue Herausforderungen, um mit dem ständig wachsenden Volumen von Geodaten und auch den Erwartungen der Nutzer umzugehen. Die Technik ist ja kein Selbstzweck, sondern soll dem Menschen dienen. Im letzten Jahr waren Geoinformationen in den Medien präsent wie nie. Ich vermute, dass es in Deutschland niemanden mehr gibt, der nicht zumindest eine Choroplethenkarte zur 7-Tage-Inzidenz gesehen hat. Das zeigt das Interesse und den Bedarf von Geodaten ja sehr deutlich. Hier müssen wir auch bei Projekten im Kontext digitaler Städte ansetzen. Was nützt den Bürgerinnen und Bürgern? Hier kommt in Zukunft der Co-Creation-Methode eine wichtige Rolle zu. Co-Creation bedeutet die Einbindung der Nutzerinnen und Nutzer vom Beginn bis zum Ende des Entwurfs- und Entwicklungsprozesses von Digitalisierungsprozessen in den Städten.

Eine stärkere Beteiligung der Menschen einer Stadt ist das Fundament, um neue digitale Lösungen zum Erfolg zu führen. Wie erreicht man die Bürger und was passiert mit den Menschen, die sich nicht mit digitalen Lösungen beschäftigen können und wollen?

Die Schwaben sind ja als technikaffine Tüftler bekannt und halten mit ihrer Meinung auch nicht hinter dem Berg. Ein beeindruckendes Beispiel ist das in Stuttgart aus einer Initiative von engagierten Bürgern heraus entstandene Projekt „luftdaten.info“ zur Messung von Luftqualität. Diese Initiative wird inzwischen weltweit in vielen Städten unterstützt, sodass weltweit Messungen von Luftqualität mit von Bürgern gebauten Sensoren über die „sensor.community-Plattform“ zusammengetragen werden. Auf der Plattform „OGC 3D IoT Platform for Smart Cities Pilot“, an der wir im letzten Jahr beteiligt waren, haben wir Sensordaten aus Sejong in Südkorea auf diesem Netzwerk gefunden und in ein 3D-Stadtmodell integriert. Ich habe den Eindruck, dass hier gerade so etwas wie Openstreetmap für Umweltsensordaten entsteht. Wenn das Thema relevant ist, finden sich auch Bürgerinnen und Bürger, die sich engagieren.


Ein ausführliches Interview mit Prof. Dr. Volker Coors finden Sie in der gis.Business 1/2021.


Im Rahmen eines Projekts haben Sie eine 3D-Beteiligungsplattform aufgebaut. Was verbirgt sich dahinter?

Die angesprochene Bürgerbeteiligungsplattform ist im Rahmen des Projekts „Metropolregion 4.0 – Innovation und Transfer aus transdisziplinärer Forschung für energieeffiziente Stadtentwicklung, nachhaltiges Wirtschaften und Produzieren in der Metropolregion Stuttgart“ (M4_Lab) an der HFT Stuttgart entstanden. M4_Lab wird im Rahmen der sogenannten „kleinen Excellenz-Initiative“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Das Ziel des Vorhabens ist es, die international anerkannte HFT-Forschungsstärke in Stadtentwicklung, Digitalisierung und weiteren Bereichen wesentlich stärker nutzbar zu machen. Ideen, Lösungsansätze und Innovationen sollen gemeinsam mit Partnern aus Industrie, Kommunalverwaltung und Zivilgesellschaft weiterentwickelt werden. Im Fokus stehen dabei die Entwicklung einer Strategie für eine klimaneutrale Region mit zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten und nachhaltiger Industrieproduktion. Der 2017 begonnene zehnjährige Prozess einer internationalen Bauausstellung (IBA 2027) wird im Projekt M4_Lab genutzt und bietet eine einmalige Chance, beispielsweise durch partizipative Forschung eine sich wandelnde Metropolregion aktiv zu begleiten.


Prof. Dr. Volker Coors ist seit Mai 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für angewandte Forschung an der HFT. Er arbeitet seit Jahren erfolgreich in den Gebieten 3D-Geodateninfrastruktur und Visualisierung raumbezogener Daten. Er ist Gründungsmitglied der gemeinsamen Kommission „3D-Stadtmodelle“ der Deutschen Gesellschaft für Kartographie e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation e. V. sowie Sprecher des Beirats des Runden Tisch GIS e. V. Weiterhin ist er German Representative der Urban Data Management Society und in dieser Funktion Co-Organisator der Internationalen Konferenz Smart Data for Smart Cities.


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