Andreas Eicher

Intergeo 2020 – digitaler Lernprozess

Gestern endete die erste digitale Intergeo. Nach Darstellung des Veranstalters eine erfolgreiche Premiere. In der abschließenden Presseverlautbarung präsentierten die Verfasser ein Zahlenfeuerwerk. Das Ganze liest sich wie folgt: „Die Zahlen sprechen für sich: Die Intergeo.digital ist mit über 330.000 Interaktionen an den digitalen Touchpoints zu Ende gegangen.“

Zahlen und Fakten zur Intergeo 2020 (Quelle: Hinte Messe/Intergeo)

Für die Intergeo-Verantwortlichen bedeutet das im Detail: „Rund 12.000 Teilnehmer legten ihr digitales Profil an. Die Verweildauer lag in der Spitze bei bis zu 5,5 Stunden pro Teilnehmer.“ Nicht zu vergessen die Besucher aus 153 Ländern, 300.000 Minuten Live-Moderation, 228 Aussteller, 2.900 Produkte usw. So viel zum Zahlenprotokoll [1].

Licht und …

Die Inhalte sprechen teils eine andere Sprache, lassen sich nicht einfach in ein Zahlenpaket fassen. Und so gab es Licht und Schatten im Rahmen der ersten digitalen Intergeo. Fangen wir mit dem Positiven an. Die Organisatoren im Hintergrund haben es innerhalb kürzester Zeit geschafft, ein komplettes Programm – ausgerichtet auf eine dreitägige analoge Intergeo in Berlin – auf ein rein digitales Format umzustellen. Ein organisatorischer Kraftakt, sicher nicht nur für die Hinte Messe. Zufrieden äußert sich Christoph Hinte, Organisator der „Intergeo Digital“, wenn er sagt: „Es ist uns gelungen, eine stabile Digitalplattform aufzubauen die ein sehr großes Interaktionsvolumen hervorgebracht hat“ [2]. Das ist nicht selbstverständlich in diesen Corona-Zeiten mit zahlreichen Messe- und Kongressabsagen, aber auch wirtschaftlich schlingernden Veranstaltern, die vor einem finanziellen Totalschaden stehen. Dies vor Augen wagte das Unternehmen Hinte Messe viel und setzte mit der dreitägigen Intergeo Digital ein deutliches Lebenszeichen. Spötter würden sagen: Was blieb ihr auch anderes übrig. Doch die Flucht nach vorne scheint geglückt.

Nach den Worten von C. Hinte habe man mit allen Partnern gemeinsam dafür gesorgt, dass sich die Geocommunity mit ihrer großen thematischen Relevanz auch in Pandemiezeiten treffen könne. Hinzu kommt, dass die Intergeo auch als digitale Ausgabe mit einer Expo, der Konferenz und unterschiedlichen Bühnen zu „Geoinnovationen“, der „Smart City Solutions“ und „Interarial Solutions“ punktete. Damit war die Themenvielfalt vergleichbar mit der vergangener analoger Intergeo-Jahre.

… Schatten des Vortragsprogramms


Mit Blick auf das große Themenspektrum fällt denn auf, dass sich die Vorträge und Gespräche zu oft zwischen Detailfragen und Allgemeinplätzen bewegten. Diese „Schattenseite“ wurde beispielsweise bei der internationalen Pressekonferenz im Rahmen der Intergeo Digital am Ende des zweiten Tags deutlich. Daran konnten auch die eigentlich wichtigen Themen der Branche nichts ändern – sei es Building Information Modeling (BIM), Smart City oder der digitale Zwilling. Zu wenig Konkretes, zu viel Allgemeines. Zwei Teilnehmer der Presserunde stachen merklich heraus. Da war zum einen der Moderator, Huibert-Lan Lekkerkerk. Mit seinen Fragen und dem Nachbohren lieferte er der Presserunde immer wieder Steilvorlagen für den Blick über den Tellerrand der Geo-IT-Branche. Doch die guten Vorlagen H.-L. Lekkerkerks wurden meist vergeben. Bis auf Dr. Ilka May, CEO der LocLab Consulting. Sie nahm die Fragen des Moderators immer wieder auf und lieferte weitsichtige Antworten, unter anderem zu BIM und dem Thema des digitalen Zwillings. Somit bereicherten beide die rund einstündige Pressekonferenz.

Von Aussagen der Marke I. Mays hätte man sich im Vortragprogramm mehr gewünscht, um die großen Themen auch vorausschauend zu beantworten. Schließlich heißt das Motto der Intergeo: „Wissen und Handeln für die Erde.“ Doch dieser Slogan versandete allzu oft zwischen Silodenken und der permanenten Diskussion um Standardisierungsfragen. Unzählige Apps, Hard- und Software-Produkte sollen Städte und Kommunen sowie die Wirtschaft bei ihren jeweiligen Herausforderungen unterstützen. Da passt das Grußwort des Intergeo-Schirmherrs Horst Seehofer, seines Zeichens Bundesinnenminister, so recht ins Bild. Nach seinen Worten sollten die Besucherinnen und Besucher „die Welt der Innovationen und zukunftsweisenden Technologien“ erkunden [3]. Diese vermittelte Erkundungsreise mit einer reinen Technologiesicht kann nicht der Weg sein. Im Grunde muss es darum gehen, welche Antworten die Geo-IT-Branche auf die Fragen unserer Zeit hat. Das heißt, wie Menschen in den Städten von heute und morgen leben wollen. Wie die Politik unterstützt werden kann, um bessere Antworten auf Flüchtlingskrisen, Naturkatastrophen, auf Krieg und Terror zu finden. Dazu gab es in den drei Tagen Intergeo zu wenig Antworten. Eine verpasste Chance. Und so geriet auch die Eröffnungs-Keynote von Dr. Karsten Sach vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zum „Green Deal“ zu einem Allgemeinplatz bekannter Politiker-Aussagen.

Starke Themen und der Lernprozess

Doch zum Glück gab es weitere Lichtblicke am digitalen Horizont. So beispielsweise der von Frank Salzgeber von der European Space Agency. Mit seinen Ausführungen zur „Macht von Bildern“ zeigt er auf, wie wichtig detaillierte Aufnahmen beim Kampf gegen Fake News sein können. Sei es beim Verharmlosen von Naturkatastrophen, dem vertuschten von Umweltverschmutzungen oder beim Kampf gegen den teils geleugneten Klimawandel. F. Salzgeber: „Der Weltraum wird zum Rückgrat der digitalen Wirtschaft und bietet eine entscheidende Infrastruktur für Erdbeobachtung, Navigation und Telekommunikation“ [4].

Oder nehmen wir die Aussagen von Dr. Frank Nägele, Staatssekretär für Verwaltungs- und Infrastruktursteuerung in der Senatskanzlei Berlin. F. Nägele bezog eindeutig Position gegen eine Allmacht großer Digitalkonzernen in Städten und zeigte in seinem Vortrag die neue Smart-City-Strategie Berlins auf. Das macht Themen stark, um eigene Fehler der Vergangenheit zu erkennen und in neue Wege münden zu lassen. Denn von solch einem Lernprozess können viele profitieren. Es wäre den Intergeo-Machern zu wünschen, dass sie mehr solcher Themen finden – nicht nur bei einem digitalen Format der Leitmesse für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement. Aber der Wunsch nach einem Wiederbeleben der „analogen“ Intergeo mit Vor-Ort-Gesprächen und -Netzwerken ist bei vielen Teilnehmern der diesjährigen digitalen Veranstaltung groß. Das erkannten auch die Verantwortlichen der Intergeo.

So bestätigt Prof. Hansjörg Kutterer, Präsident der Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement, kurz DVW, „dass dem starken Wunsch folgend, die Intergeo 2021 in Hannover vom 21.09. bis 23.09.2021 durchgeführt werden soll.“ Für die Verantwortlichen gilt es nach eigenen Aussagen aus der ersten digitalen Intergeo „zu lernen und zu diskutieren, welche digitalen Elemente ergänzend eingebaut werden können“ [5]. Das klingt doch am Ende konkret, nach einem digitalen Lernprozess und lässt alle Beteiligten zuversichtlich nach vorne blicken – ob nun analog oder digital.

Quellen:

[1] https://www.intergeo.de/de/news/digital-interaktiv-international-intergeo-digital-mit-erfolgreicher-premiere

[2] https://www.intergeo.de/de/news/digital-interaktiv-international-intergeo-digital-mit-erfolgreicher-premiere

[3] https://www.intergeo.de/de/conference

[4] https://www.intergeo.de

[5] https://www.intergeo.de/de/news/digital-interaktiv-international-intergeo-digital-mit-erfolgreicher-premiere