Öffentliche Geodaten

30 Jahre Deutsche Einheit & Vielfalt

Deutschland – wie es sich seit 1990 entwickelt hat, zeigt ein Blick auf Karten und Luftbilder von damals und heute.

Das BiB und das BKG zeigen in thematischen Karten, Luftbildern und historischen Landkarten die Entwicklung im wiedervereinigten Deutschland seit 1990. Bild: Uwe Beier/Pixabay

Mehr als 66 Millionen Menschen im Westen Deutschlands und mehr als 16 Millionen im Osten verändern sich und verändern ihr Land. Die Menschen wohnen, arbeiten und leben, ziehen um, bauen, erschließen und renaturieren.

Die geografischen und demografischen Spuren dieser Aktivitäten zeigen das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) in thematischen Karten, Luftbildern und historischen Landkarten im Vergleich von 1990 und heute. Auf Basis neuer kartographischer Daten werden dabei erstmals detaillierte regionale und lokale Vergleiche für diesen Zeitraum möglich. Die Ergebnisse sind in einer Broschüre zusammengefasst und in einer interaktiven Webanwendung abrufbar.

„Wendeschock“: Abwanderung im Osten, neue Bevölkerungsdynamik im Westen

Nach der Wiedervereinigung erlebte der Osten zunächst einen gravierenden Einschnitt. Die Wirtschaft brach ein, zahlreiche Menschen verloren ihre Arbeit. Die gesellschaftlichen Verhältnisse im Osten änderten sich grundlegend. Aufbruchstimmung und Verunsicherung bestimmten die Gefühlslage. In der Folge verließen viele, vor allem junge und gut ausgebildete Menschen ihre Heimat gen Westen. Die Geburtenraten sanken für einige Jahre auf historische Tiefststände. Einige Regionen verloren erheblich an Bevölkerung. Davon profitierte der Westen demografisch und wirtschaftlich.

Eine schon damals von Alterungsprozessen gezeichnete Bevölkerung erlebte eine „Verjüngung“. Viele junge Zugezogene aus Ostdeutschland belebten nicht nur lokale Arbeits- und Wohnungsmärkte, sie brachten auch eine neue Dynamik in die demografische Entwicklung in vielen Teilen Westdeutschlands. Zwischen 1990 und 2016 hat der Osten im Saldo mehr als 1,2 Millionen Personen durch Umzüge an den Westen verloren. Doch seit 2017 ist eine Trendwende zu beobachten: Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung sind mehr Menschen aus Westdeutschland in die ostdeutschen Flächenländer gezogen als umgekehrt.

Wechselseitige, nicht einseitige Annäherung

Der Osten hat sich in vielerlei Hinsicht dem Westen angenähert. Heute liegt die Wirtschaftskraft im Osten bei 70 Prozent des Westens (2018, ohne Berlin), bei der Infrastrukturausstattung hat der Osten die Lücke großenteils geschlossen, die Binnenwanderung ist weitgehend ausgeglichen. Auch bei den Geburtenraten und der Lebenserwartung sind sich Ost und West heute ähnlich. Aber es gab auch Entwicklungen in die andere Richtung. Der Westen hat sich dem Osten angenähert, etwa bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen und beim Ausbau der Kinderbetreuung. Früher bestehende Unterschiede haben sich verringert.

Jedoch sind auch Entwicklungen zu beobachten, die auf die Entstehung oder Vergrößerungen von Unterschieden verweisen, zum Beispiel die Bevölkerungsstruktur nach Geschlecht. Insbesondere in den 1990er Jahren wanderten mehr Frauen als Männer aus Ostdeutschland ab. So gibt es in vielen ostdeutschen Regionen heute mehr Männer als Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren, ein neu entstandener „Männerüberhang“. Dieser wird aber wahrscheinlich auch in ein paar Jahrzehnten wieder der Vergangenheit angehören.

Vielfach wird als Ursache für damalige und heutige Unterschiede zwischen Ost und West auf die Zeit der Zweistaatlichkeit zwischen 1949 und 1990 verwiesen. Diese Erklärung ist im Hinblick auf eine Reihe von Phänomenen stimmig. Allerdings zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass zahlreiche Unterschiede auch schon vor 1945 bestanden. Beispiele hierfür sind historische Unterschiede bei den nichtehelichen Geburten, dem Anteil der Selbstständigen oder der Frauenerwerbsbeteiligung. Insgesamt zeigt sich, dass die ostdeutschen Länder und Regionen ihre eigenen Besonderheiten bewahrt und ihr eigenes Profil ausgebildet haben. Vielfalt statt Einheitlichkeit prägt das Bild.

Große Vielfalt innerhalb von „Ost“ und „West“

Die Entwicklungen verdeutlichen auch, dass es heute kaum noch Sinn macht, demografisch und wirtschaftlich „vom Osten“ und „vom Westen“ zu sprechen. Die Disparitäten innerhalb von Ost und West sind teilweise beträchtlich und es gibt viele boomende Regionen im Osten. Hierzu zählen der Großraum Berlin sowie die Städte Dresden, Leipzig und Jena. Gleichzeitig gibt es in Westdeutschland Gebiete mit Bevölkerungsrückgängen, etwa Strukturwandelregionen im Ruhrgebiet und im Saarland. Disparitäten entfalten sich heute nicht primär entlang von Ost und West, auch nicht entlang von Zentrum und Peripherie, sondern entlang von prosperierenden und sich im Strukturwandel befindlichen Regionen.

Interaktives Tool: Daten und ihre räumlichen Veränderungen greifbar machen

Die Webanwendung ist frei im Internet verfügbar. Interaktiv lassen sich die demografischen Daten auf Kartenbasis erleben und direkt vergleichen – bis hinunter auf die Ebene von Landkreisen. Historische Karten und Luftbilder zeigen im Vergleich zu aktuellen Satellitenbildern und Karten die Veränderungen in Städten und Landschaften.

Weitere Informationen unter www.bkg.bund.de

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