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Hochpräzises Fußgänger-Routing

Die Ettlinger Firma iXpoint Informationssysteme GmbH ist Landessieger des European Satellite Navigation Competition (ESNC) 2018. Ihre App navigiert Fußgänger sicher an Hindernissen vorbei. Die Plätze zwei und drei gehen an die Stuttgarter Start-ups Teleportr und ARtist. Die Preisverleihung fand am 28.11.2018 während der Space Night im Planetarium Mannheim statt.

Preisträger ESNC-Baden-Württemberg Challenge 2018 (v. r. n. l.): Dr. Carsten Günther (Jury), Prof. Dr. Sebastian Ritterbusch, Stefan Siebert, Dieter Geiger (Jury), Dr. Somalingam Somakanthan, Angela Warnecke, Linus Linder, Dr. Stefan Engelhard (Jury) (Bild: Susanne Lencinas)

Herkömmliche Routingdienste sind nicht auf Fußgänger ausgerichtet. Aktuelle Smartphone-Apps können die Fußgänger auch nicht an Geländer und anderen Barrieren vorbei oder entlang verwinkelter Wege leiten. Vor allem für Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung stellt das ein großes Problem dar. Gut 250 Millionen Menschen haben eine Behinderung und davon sind 36 Millionen Menschen sehbeeinträchtigt. Diese Menschen sind darauf angewiesen, dass sie durch Hilfsmittel den richtigen und vor allem sicheren Weg finden. Die Ettlinger Firma iXpoint Informationssysteme GmbH hat nun das Routing optimiert – nicht nur für Menschen mit Behinderung. Wege werden viel exakter vorbestimmt und der Fußgänger präzise geleitet.

„Die Behandlung der Fußgänger als Autofahrer hat ein Ende“

Die iXpoint-Lösung basiert auf dem freien Online-Kartendienst OpenStreetMap. Positionssignale der einzelnen Satelliten werden mit den Bewegungssensoren der Smartphones verbunden. Dadurch ist nicht nur die genaue Positionierung möglich. Hindernisse, Bürgersteige und Fußgängerunterführungen werden erkannt und im Routing berücksichtigt. Das Überqueren einer Straße an den dafür vorgesehenen Stellen wird damit leichter möglich. „Die Behandlung der Fußgänger als Autofahrer hat ein Ende“, sagt Geschäftsführer Stefan Siebert. Die präzise Navigation wird sehbeeinträchtigten Menschen auf ein haptisches Tool am Gürtel oder einen Minikopfhörer übermittelt. Durch Vibration oder Ton wird der sichere Weg anzeigt.

„In einer fremden Umgebung ist auch für sehende Menschen das Tool von großem Interesse, da es den schnellsten, sichersten und unkompliziertesten Weg zum Zielort anzeigt“, so S. Siebert. Der Preis wurde im Rahmen der „Space Night“ im Planetarium in Mannheim von der Industrie- und Handelskammer Reutlingen vergeben. Mit dem ersten Platz beim ESNC-Baden-Württemberg Challenge nimmt das Unternehmen automatisch am internationalen Gesamtwettbewerb teil, dessen Preisverleihung am 3. Dezember 2018 in Marseille stattfindet.

Pakete die ankommen, wenn man zu Hause ist

Den zweiten Preis erzielte das Stuttgarter Start-up Teleportr GmbH. Die Gründer Connor Power und Linus Linder haben einen Service entwickelt mit dem die Paketlieferung auf der letzten Meile kundenorientiert gelöst ist. In Stuttgart Mitte, Süd und West ist der Service bereits in Betrieb, in den Stadtteilen Ost, Zuffenhausen und Bad Cannstatt steht der Life-Betrieb kurz bevor. „Paketzusteller stehen oft vor verschlossener Tür und die Pakete müssen mühselig beim Zustelldienst abgeholt werden“, fasst L. Linder das Problem des boomenden Online-Handels zusammen.

Zu wissen, wann die Empfänger zu Hause sind und das Paket in Empfang nehmen können, ist der Kern des Teleportr-Services. Hierzu muss der Kunde nicht einmal aktiv werden. Technisch übernimmt dies ein virtueller Zaun um das eigene zu Hause. Mittels dieser Geofencing Technologie meldet die Smartphone-App automatisch, ob lagernde Pakete zugestellt werden können. Pakete, die ankommen, wenn der Kunde nach Hause kommt – welch ein Service.

Mittels Vorhersagen, Algorithmen und Künstlicher Intelligenz erhöht Teleportr die Effizienz der Zustellung seiner Austräger. Die Smart-City-Lösung führt auch zur Reduzierung der Emission und des Verkehrsaufkommens in den Städten, da die Austräger so eingesetzt werden, dass die Lieferungen mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledigt werden können. Der Service ist zudem völlig unabhängig vom Versandhändler und dem beauftragten Zusteller, da nur die zugewiesene Teleportr-Adresse als Lieferadresse angegeben werden muss. Lediglich die Zustellkosten erhöhen sich etwas, wobei auch das Preismodell clever und attraktiv vom Start-up gestaltet ist. „Die Kunden sind begeistert und wir gewinnen kontinuierlich neue hinzu“, sagt L. Linder über den Live-Betrieb des Services in der Stuttgarter City.

Neben dem zweiten Platz im ESNC-Landeswettbewerb ist Teleportr mit seinem Beitrag zudem einer von drei Finalisten beim begehrten ESA Spezialpreis des ESNC und dazu noch Kandidat für die Aufnahme in ein ESA Business Incubation Centre (ESA BIC). Das ESA BIC ist ein Zentrum für Start-ups, in dem Gründer für ein bis zwei Jahre finanzielle Unterstützung sowie Business Support erhalten.

Smartphone wird zum virtuellen Pinsel

Den dritten Platz belegte die Stuttgarter Firma ARtist UG. In der ausgezeichneten Lösung kommt Augmented Reality (AR) zum Einsatz. Wie der Firmenname es vermuten lässt, geht es dabei um Kunst, genauer um virtuelle Kunstwerke. Diese gilt es zu gestalten. Das Smartphone übernimmt dabei die Rolle des Pinsels. Die Gründer Tobias Kehrein, Dr. Somakanthan Somalingam und Angela Warnecke haben dieses Handwerkzeug für Künstler entwickelt. Mit dem ARtist-Tool lassen sich Kunstobjekte virtuell gestalten, die dann durch exakte Positionierung im Raum aufgestellt werden. Auch können Kunstwerke gemeinsam kreiert oder Kindern in speziell darauf zugeschnittenen Projekten der Einstieg in die virtuelle Gestaltung spielerisch beigebracht werden. Die Firma ARtist ist seit dem Sommer 2018 ein Start-up des ESA BIC Baden-Württemberg. „Die virtuelle Gestaltung ermöglicht die Nutzung von Freiheitsgraden für die Entfaltung der eigenen Kreativität, die die normale Kunst nur bedingt bieten kann, beispielsweise das Erzeugen von verschiedenen Subräumen mit unterschiedlichen Inhalten am gleichen Ort“, erläutert Dr. S. Somalingam und ergänzt mit einem Ausblick auf andere Einsatzbereiche. „Das Tool ist nicht auf Kunst beschränkt. Eine Zusammenarbeit in anderen Bereichen wird angestrebt.“ Der Werbemarkt böte sich dafür an. Betrachtet werden die virtuellen Gebilde über Smartphones, Tablets oder Datenbrillen, also Smart Glasses.

Auszeichnung bei Space Night im Planetarium in Mannheim

Der Wettbewerb European Satellite Navigation Competition (ESNC) zeichnet jedes Jahr die besten Ideen für neue Anwendungen der Satellitennavigation aus. Seit 2007 organisiert die IHK Reutlingen in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg die Beteiligung des Landes am ESNC. Die Teilnehmer können sich sowohl auf Landesebene als auch international bewerben, zudem gibt es Spezialkategorien. Der baden-württembergische Landessieger erhält 1.000 Euro, einen Imagefilm und ein für zwei Jahre mietfreies Büro im Technologiepark Tübingen-Reutlingen TTR. Die Zweit- und Drittplatzierten erhalten 400 Euro bzw. 200 Euro Preisgeld. Als Sonderpreis konnten acht Teilnehmer dieses Jahr zum zweiten Mal ein „Experten Dinner“ gewinnen. Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr zeigen, dass ein intensives Gespräch mit einem Experten in der Frühphase eines Projekts helfen kann, den Fokus zu schärfen und Schwachstellen aufzudecken kann. Die Preisverleihung fand im Rahmen der vom Netzwerk Geoinformation der Metropolregion Rhein-Neckar (GeoNet.MRN) organisierten „Space Night“ am 28.11.2018 im Planetarium in Mannheim statt. Neben dem Ministerium und den Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg wurde die Veranstaltung vom ESA BIC Hessen & Baden-Württemberg sowie von Airbus unterstützt.

Weitere Informationen: www.esnc-bw.de und www.fachaustausch-geoinformation.de

Keywords: Routingdienste, Smartphone-Apps, OpenStreetMap, Geofencing Technologie, Augmented Reality (AR), virtuelle Gestaltung