GNSS-Referenzpunkte und SAPOS – wie funktioniert das eigentlich?

Am 2. Mai 2015 – also am Tag des 15. Jubiläums der Abschaltung der künstlichen Verschlechterung des GPS-Signals für die zivile Nutzung durch den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton – fand in der Gemeinde Durmersheim bei Karlsruhe ein Geocaching-Event statt bei dem auch Fachfremde einmal live sehen konnten, wie ein GNSS-Referenzpunkt eingemessen wird. Eingeladen hatten das Landesamt für Geoinformation und Landesentwicklung (LGL) Baden Württemberg und der Blogger „Webmicha“ von geocachingbw.de.

Ein Team des LGL aus Karlsruhe stellte an diesem Tag das Equipment sowie den Korrekturdatendienst SAPOS vor. Jeder Geocacher hatte außerdem die Möglichkeit mit seinem Gerät die Koordinaten des neuen Referenzpunktes zu ermitteln und damit an einer kleinen Verlosung teilzunehmen: Die Inhaber der genausten Geräte durften in der vergangenen Woche die SAPOS-Zentrale des LGL in Karlsruhe besuchen.

Während das handelsübliche GPS-Gerät eine Genauigkeit von bestenfalls 3-5 Metern hat, stellt der Satellitenpositionierungsdienst SAPOS Korrekturdaten zur Verfügung, mit denen in Deutschland eine Positionsbestimmung bis auf Zentimetergenauigkeit möglich ist. Zu diesem Zweck unterhalten die verschiedenen Landesämter mehr als 270 exakt eingemessene GNSS-Referenzstationen, mithilfe derer Abweichungen in der Genauigkeit erkannt und berechnet werden können.

Am Mittwoch, den 19.08.2015, habe ich also – sozusagen „undercover“ als Geocacher – das LGL in Karlsruhe besucht. Der Hauptsitz des LGL befindet sich in Stuttgart, in Karlsruhe befindet sich  die Abteilung „Produktion“ mit Ihren Referaten „Geodätischer Raumbezug“, „Topographie“, „Fernerkundung“ und „Messverfahren“.

Referat 53: Fernerkundung

Nach einer kurzen Begrüßung durften wir uns zunächst einen Innendienst-Arbeitsplatz im Bereich Fernerkundung ansehen. Im Sommer (Bodenauflösung 20 cm) und im Winter/Frühjahr (Bodenauflösung 5-10 cm) werden mittels Flugzeug Luftaufnahmen erstellt, um daraus eine Luftbildkarte – also ein Orthofoto – abzuleiten. Dabei entstehen nicht gerade kleine Datenmengen.

Ein Beispiel: Bei einer Befliegung eines Gebiets von 1.280 km² Größe entstehen rund 650 Bilder mit einer Bodenauflösung von 20 cm (1 Pixel = 20 x 20 cm in der Natur). Jedes Bild ist ca. 2 GB groß und wird vom Dienstleister als TIF angeliefert. Bei dieser noch recht überschaubaren Fläche entstehen also bereits 1,27 Terabyte an Daten. Zum Vergleich: Hessen hat eine Grundfläche von rund 21.115 km².

Um die Bilder anschließend zu einer Karte verarbeiten zu können, müssen alle Aufnahmen eine einheitliche Helligkeit, Farbigkeit und Qualität besitzen. Bis zu einem gewissen Grad kann dies mittels „interaktiver“ Bearbeitung im LGL passieren, aber bereits das Ausgangsmaterial muss eine gleichmäßige Radiometrie aufweisen. Verzerrungen in Überschneidungsflächen der Bilder werden anschließend mittels Schnittlinienbearbeitung manuell korrigiert.

Zum Abschluss durften wir uns in der Abteilung mithilfe einer Nvidia-3D-Brille noch ein 3D-Luftbild  ansehen, das durch sich überlagernde (doppelte) Aufnahmen der gleichen Location mit unterschiedlichen Bildauslösepunkten (stereoskopische Bilder) erzeugt werden kann.

Quelle: Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg

Referat 52: Topographie

Im Referat Topographie werden wir zunächst mit der Aussage begrüßt, dass für die verwendeten digitalen Landschaftsmodelle (DLM) der Abteilung ebenfalls nur eine Genauigkeit von ± 3 Metern erforderlich ist – ähnlich wie bei privaten GPS-Geräten. Die Arbeiten an DLM ähneln stark dem Mappen in OSM: Es gibt ein Regelwerk für Objektarten, um Straßen (Verkehr), Bäume bzw. Vegetation etc. einheitlich zu erfassen. Die Grundaktualität der so erstellten Karten wird anhand von Luftbildern im 3-jährlichen Turnus erneuert bzw. erhalten. Dabei handelt es sich um eine rein manuelle, optische Erfassung im Innendienst.

Die Spitzenaktualität wiederum wird fortwährend mithilfe des Mappings aus Planungsunterlagen gewährleistet. Zur Aktualisierung werden also beispielsweise Straßen und Baugebiete anhand von Bauplänen im System hinterlegt.

Quelle: Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg

Dieses Basis-DLM gibt das LGL dann wiederum an das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) in Frankfurt. Das BKG seinerseits stellt die geodätischen Referenzdaten und Geobasisdaten für Bundeseinrichtungen, öffentliche Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürger zur Verfügung. [1] So nutzt beispielsweise auch Google für seinen Kartendienst die Basisdaten genauso wie die meisten Navigations- und GPS-Gerätehersteller.

Signifikante Unterschiede weisen nur die Kartendaten von OSM auf. Die Grunddaten werden zwar auch hier vielfach mithilfe von Satellitenbildern und Open Data (wie zum Beispiel Maps4BW) erfasst, darüber hinaus werden aber auch Daten im Feld gesammelt und so auch Wege, die aus der Luft nicht zu erkennen sind, erkannt.

Im LGL ist der manuelle Aufwand beim Erstellen und Aktualisieren der Kartendaten nach wie vor sehr groß. Dies soll in Zukunft reduziert werden, indem beispielsweise Luftbildaufnahmen und Kartendaten vom Rechner automatisch analysiert, verglichen und angepasst werden.

Referat 51: Geodätischer Raumbezug (SAPOS)

Der Blick auf den Arbeitsplatz der 5,5 Mitarbeiter des Team SAPOS führte uns zunächst einmal über das komplette Gelände des LGL. Zunächst ging es vor das Hauptgebäude, um das Herzstück des SAPOS-Dienstes anzusehen: die große GNSS-Antenne auf dem Dach. Sie empfängt GPS- und GLONASS-Signale, nach und nach werden die landesweiten Antennen auch für BeiDou- und Galileo-Signale aufgerüstet.

Anschließend ging es in das Dachgeschoss, um den kleinen Empfänger anzusehen und dann wieder ins Erdgeschoss in den großen Serverraum, in dem alle Daten zusammenlaufen. Auf dem Weg zum Arbeitsplatz unseres Referenten wurde das Thema Genauigkeit noch einmal präzisiert. SAPOS bietet seinen Anwendern drei verschiedene Genauigkeitsstufen – zwei davon kommen in Echtzeit zum Tragen, eines dient der nachträglichen Berechnung:

  • Echtzeit-Positionierungs-Service EPS
    mit einer Lagegenauigkeit von 0,5 m bis 3 m
  • Hochpräziser Echtzeit-Positionierungs-Service HEPS
    mit einer Lagegenauigkeit von 1 cm bis 2 cm
  • Geodätischer Postprocessing-Positionierungs-Service GPPS
    mit einer Lagegenauigkeit von < 1 cm

Da  die Anwender der beiden genauen SAPOS-Dienste mit Ihren Daten registriert werden müssen und die Korrekturdaten via Mobilfunknetz gesendet werden, können die Mitarbeiter des LGL zu jederzeit sehen, welches Gerät von welchem Unternehmen wo und mit welcher Genauigkeit in Betrieb ist. Dies dient in erster Linie der Unterstützung bei Problemen im Feld. So können die Anwender sich telefonisch melden und die Mitarbeiter vor Ort können Infos zur Anzahl der verfügbaren Satelliten, Genauigkeit, Softwareproblemen etc. direkt abfragen und weitergeben. Einzelne fehlerhafte Satelliten, die das ganze System stören könnten, können kurzzeitig aus der Berechnung der Korrekturdaten entfernt werden und sorgen so wieder für eine höhere Genauigkeit und fehlerfreies Arbeiten.

Quelle: Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg

Ist einmal kein Mobilfunk verfügbar, können Daten mittels Langzeitmessung dennoch aufgezeichnet werden und über GPPS nachträglich korrigiert werden. Auch hochgenaue Daten, wie sie beispielsweise bei der Einrichtung einer SAPOS-GNSS-Antenne von Nöten sind, können mithilfe des Postprocessings ermittelt werden.

Alles in allem ein unglaublich informativer Tag im Landesamt für Kartographie und Landesentwicklung in Karlsruhe – nicht nur für Geocacher.

Viele Grüße,
Annika-Nicole Wohlleber

 

Quellen:
[1] www.bkg.bund.de
Bilder: Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg

Keywords: SAPOS, GNSS, Galileo, Beidou, GPS, GLONASS, RTK, DLM, LGL, Open Data, Orthofoto, Fernerkundung