Wasser, Krise, Geodaten

Andreas Eicher

Kennen Sie den: Warum ist Wasser im Rhein? Damit die Schiffe nicht stauben! Nun, so weit sind wir hierzulande zum Glück noch nicht. Ganz im Gegenteil zu vielen anderen Gebieten auf der Erde, wo Wasser knapp ist und Schiffe wirklich stauben. In diesen Ländern ist der etwas flache Witz längst Realität. So wie in Bolivien. Dort ist der ehemals zweitgrößte See des Landes, der Lago Poopó, fast völlig ausgetrocknet. Ein Grund ist die Wasserentnahme des Zuflusses. Nun liegen die Fischerboote auf dem trockenen Grund des Sees. Gleiches zählt für den Aralsee zwischen Kasachstan und Usbekistan. Er war einst das viertgrößte Binnengewässer der Erde. Oder den Tschadsee in Afrika. Überall auf der Erde ist das Austrocknen von Gewässern zu beobachten. Nach Expertenmeinung nichts Ungewöhnliches. Aber der Mensch beschleunigt diesen Prozess – die übermäßige Wasserentnahme für die Landwirtschaft trägt merklich dazu bei. Hinzu kommen massive Eingriffe in die Ökosysteme durch den Menschen.

Wasser ist Leben und knapp (Bild: fotolia_fotoknips)

Wen wundert es, dass es Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen Unesco-Kommission, jüngst auf den folgenden Nenner brachte: „Klimawandel, Bevölkerungswachstum und steigender Konsum machen deutlich: Wir brauchen neue Lösungen für die Wasserbewirtschaftung.“ Und sie ergänzt: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden bis 2050 mehr als fünf Milliarden Menschen unter Wassermangel leiden.“ Hintergrund ist: „Fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist den Vereinten Nationen (UN) zufolge von Wassermangel bedroht. Insgesamt 3,6 Milliarden Menschen lebten in Gebieten, in denen für einen Monat im Jahr oder sogar länger Wasser fehlen könne (…)“ [1].

Von pomadigen Formulierungen und der Privatisierung von Wasser

Nun tagte Mitte März das Weltwasserforum (WWC) in Brasiliens Hauptstadt Brasilia. Die Veranstaltung, getragen vom „Weltwasserrat“, sprich Wissenschaftlern, Unternehmen und Behörden, stellte das Forum unter das Motto: „Sharing Water“. Herausgekommen ist neben den vielen Lobeshymnen auf das eigene Tun eine „Charter of Brasilia“. In dieser „Brasilia Declaration of Judges on Water Justice” wurden zehn Prinzipien zum Wasserecht und Umweltregeln festgelegt. Dort heißt es unter anderem, dass Wasser ein „Gut“ von öffentlichem Interesse ist (Prinzip eins) und Wassergesetze ein wesentliches Fundament für den Schutz von Wasserressourcen und das Ökosystem darstellen (Prinzip acht) [2]. Die etwas pomadig klingenden Formulierungen scheinen auf einen Minimalkonsens hinzudeuten (wie so oft bei solch aufgeblähten Veranstaltungen), denn vom Recht auf Wasser als freies Gut sprechen längst nicht alle Staaten und schon gar nicht viele große Konzerne. So folgert Christa Hecht, Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW), in einem Interview mit „Springer Professional“ vom März 2018: „Seit den Anfängen von WWC und der Weltwasserkonferenzen wird Wasser als nicht länger ‚freies‘ Gut bezeichnet. Weil es knapper wird, soll es zu einer ‚handelbaren Ware‘ werden. Die Regierungen sollen sich weg von der Aufgabe, Wasser zu geringen Kosten bereitzustellen, hin zu einer Rolle, Wassermärkte zu regulieren, bewegen. Das ist de facto das Ziel der Privatisierung. Verwunderlich ist das nicht, denn die Gründungsmitglieder des WWC sind internationale Konzerne, und sie dominieren auch weiterhin die Weltwasserforen“ [3].

Kapstadts Wasserknappheit, die Folgen und Schuldzuweisungen

Und so kommt es, wie es kommen muss. Wir schreiben 2018 und die südafrikanische Millionenmetropole Kapstadt plagt sich mit einer immensen Wasserknappheit. Experten sprechen von der größten Dürre seit rund 100 Jahren, die in der Region am Kap der Guten Hoffnung wütet. Die Folgen für die Einwohner Kapstadts sind einschneidend. Öffentliche Einrichtungen, Unternehmen und private Haushalte müssen Wasser sparen. 50 Liter pro Kopf und Tag stehen jedem Kapstädter aktuell zu. Hält die Dürre weiter an und „fallen die Wasserstände unter 13,5 Prozent, muss die Regierung Day Zero ausrufen und die reguläre Wasserversorgung für alle Haushalte stoppen“, wie es Zeit Online im Januar im Artikel „Warten auf Tag Null“ beschrieb. Ab diesem Zeitpunkt (aktuell wäre es Ende August 2018, Anm. d. Red.) würden die Wasserleitungen gesperrt und jedem Einwohner Kapstadts stünden nur noch 25 Liter Wasser pro Tag zur Verfügung – erhältlich an bestimmten Notausgabestellen. Noch während die Dürre anhält, bringen sich die Kontrahenten mit ihren gegenseitigen Schuldzuweisungen in Position. „Niemand kann sagen, dass er von nichts gewusst habe. Die Stadt und die Regierung hatten genug Zeit, um sich vorzubereiten“, sagt Taryn Pereira, Mitarbeiterin der Umweltorganisation Environmental Monitoring Group, gegenüber Zeit Online [4]. Kapstadts Bürgermeisterin Patricia de Lille gibt dem „Klimawandel und verschwenderischen Bürgern die Schuld“ an der Wassermisere. Die Bürger wiederum sprechen von unfähigen städtischen Beamten, die sich zu spät der Wasserknappheit angenommen hätten [5]. Und die südafrikanische Regierungspartei des ANC, um den neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa, sieht aufgrund des schlechten Wassermanagements ihre Chance auf einen Machtwechsel in Kapstadt. Denn dort herrscht P. de Lille mit ihrer Partei der „Independent Democrats“.

Ein Umstand, der den Allmachtansprüchen des ANC widerspricht und jüngst in einem Reuters-Kommentar zur Sprache kam: „Das Kernproblem ist, dass Kapstadt und (…) das Western Cape von der liberalen Demokratischen Allianz regiert werden. Das macht das Western Cape zur einzigen Provinzregierung, die nicht vom regierenden African National Congress (ANC) regiert wird“ [6]. Nun, wie es auch sei bei allen politischen Ränkespielen. Wichtig sind praktikable Lösungen für die Menschen. Denn ganz gleich ob Überschwemmung oder Dürre – die Natur wartet nicht, bis sich die politisch Verantwortlichen auf einen Minimalkonsens geeinigt haben und endlich an einem Strang für ein nachhaltiges Wassermanagement ziehen.

Wichtig sind nach Aussagen von Uwe Rühl, Risikomanagementexperte, unter anderem Kompensationsmaßnahmen. Diese sollten immer geplant werden, wie eben die Sanktionierung der Wasserversorgung und die gelenkte Verteilung von Wasser im Notfall. U. Rühl ergänzt: „Wichtiger ist aber eine rechtzeitige vorausschauende Planung und Strategie. Also strategisch mehrere Bezugsquellen aufbauen, den Verbrauch nachhaltig senken, Rückgewinnung forcieren.“ Das zähle nach U. Rühls Aussagen auch für Unternehmen und deren Planungen, zum Beispiel zur Beschaffung von Ressourcen und Rohstoffen.

Wie Geodaten helfen können

Dies tun mittlerweile Verantwortliche vielfältiger Projekte. Beispielsweise lassen sich über das Online-Portal „World Water Quality Portal“ der Unesco Wasserqualitätsdaten aller weltweiten Binnen- und Küstengewässer einsehen sowie Messdaten abfragen. In einer Presseverlautbarung heißt es: „Die satellitengestützten Daten liefern Informationen von Binnengewässern, Flüssen und Seen bis rund einem Hektar Größe. Aufschluss über die Wasserqualität geben Parameter wie Trübung, Chlorophyll-Gehalt, Wassertemperatur und Cyanobakterien-Indikatoren.“ Damit können unter anderem politische Institutionen, Umweltbehörden und Universitäten flächendeckend wichtige Wasserqualitätsinformationen abrufen, die als Entscheidungshilfe für das globale und nachhaltige Wassermanagement dienen. Entwickelt wurde das Portal von der Firma Eomap aus hoch aufgelösten Fernerkundungsdaten für die Internationale Initiative zur Wasserqualität (IIWQ) des International Hydrological Programme (IHP) der UNESCO. Für Dr. Sarantuyaa Zandaryaa, Programme Specialist, Division of Water Sciences des IHP, leiste das Portal nicht nur einen wichtigen Beitrag zu verbesserten Daten über die globale Wasserqualität, sondern fördere auch wissenschafts- und datenbasierte Entscheidungsfindung zur Wasserqualität. „Das trägt zu nachhaltigem Wasserressourcenmanagement und der Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung bei“, so Dr. S. Zandaryaa [7].

Wichtige Wasserqualitätsinformationen liefert das World Water Quality Portal (Bild: Eomap)

In anderen Fällen muss die Datenbasis dringend erweitert werden, wollen die Verantwortlichen zu validen Messdaten beim Wassermanagement gelangen. So speist sich die „Global Rainfall Erosivity Database“ aus über 3.600 Niederschlagsstationen in weltweit 63 Ländern. Die dort gewonnenen Daten dienen als Grundlage für Modelle zur Bodenerosionsrisikoabschätzung. Doch während Europa mit über 1.700 Stationen gut vernetzt scheint, ist die Dichte in Afrika mit gerade einmal fünf Prozent sehr gering [8]. Überhaupt ist technisches Know-how und Expertenwissen in vielen afrikanischen Ländern gefragt. Aktuell läuft ein von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, kurz GIZ, und dem UK Department for International Development (DFID) gefördertes Projekt zum grenzüberschreitenden Wassermanagement im südlichen Afrika. Laut GIZ arbeitet das Projekt an den drei Handlungsfeldern der Infrastrukturförderung, der Entwicklung von Flussgebietsorganisationen sowie dem Ausbau der Klimaresistenz der Bevölkerung. Während es bei den beiden ersten Punkten meist um Finanzierungsfragen und -modelle geht, werden im dritten Handlungsfeld explizit Instrumente und Produkte angesprochen, die eine Katastrophenvorsorge fördern. Hierzu braucht es nach GIZ-Angaben verlässliche hydrometeorologische Daten und „ihr zeitnaher Austausch zwischen den maßgeblichen Entscheidungsträgern und der Bevölkerung“ als „Grundlage für eine nachhaltige Hochwasservorsorge“ [9]. Für U. Rühl geht die Katastrophenvorsorge mit einem Ausbau der Resilienz einher. „Es muss eine Lernfähigkeit erzeugt werden“, so U. Rühl und meint: „Es geht darum, langfristige Strategien zu finden und anzupassen. Das wird nicht ohne Veränderung funktionieren, ohne vielleicht den einen oder anderen schmerzhaften Einschnitt auch für die Bevölkerung.“

Und auch Fernerkundungsdaten spielen eine wesentliche Rolle im Bereich des Wassermanagements. So läuft seit letztem Jahr ein Projekt der Technischen Hochschule Köln mit dem Namen „WaterSec – Water Security and Climate Extremes – Bringing Big Data to Action“. Ziel ist es, Vorhersagemodelle für von Wasserknappheit betroffene Länder unter Einbeziehung von Fernerkundungsdaten zu erhalten. „In zwei Pilotregionen in Afrika – dem Nileinzugsgebiet und der Sahelzone – werden zusammen mit Forschungspartnern, lokalen Anwendern und Unternehmen Informationssysteme zur Erhebung und Auswertung von Daten zu Wasserverfügbarkeit, -bedarf und -nutzung erstellt. Die daraus resultierenden Wasserbilanzen, Szenarien und Prognosen sollen den Regierungen vor Ort bessere Entscheidungen im Hinblick auf die Wasserressourcensicherheit ermöglichen“ [10].

In einem anderen Projekt befassen sich die Verantwortlichen mit dem Thema: „Saisonales Wasserressourcen-Management in Trockenregionen: Praxistransfer regionalisierter globaler Informationen“. Koordiniert wird das Ganze vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt macht globale Satelliten- und Modelldaten für das regionale Wassermanagement und die saisonale Vorhersage nutzbar“ [11].

Hoffen wir, dass diese Projekte fruchten und einen Fortschritt beim Thema Wassermanagement bringen. Denn die Zeit drängt. Oder anders formuliert: Wasser ist Leben und knapp.


Quellen:

[1] http://www.fr.de/wirtschaft/un-bericht-boeden-koennen-immer-weniger-wasser-speichern-a-1470425 

[2] https://www.iucn.org/sites/dev/files/content/documents/brasilia_declaration_of_judges_on_water_justice_21_march_2018_final_as_approved.pdf

[3] https://www.springerprofessional.de/umwelt/wasserwirtschaft/-recht-auf-wasser-als-menschenrecht-ist-nicht-einklagbar-/15490550

[4] http://www.zeit.de/wissen/2018-01/wasserkrise-kapstadt-duerre-suedafrika-wassermangel-klimawandel-day-zero

[5] https://www.tagesschau.de/ausland/suedafrika-157.html

[6] https://www.reuters.com/article/us-saundersonmeyer-drought-commentary/commentary-in-drought-hit-south-africa-the-politics-of-water-idUSKBN1FP226

[7] https://www.eomap.com/exchange/pdf/EOMAP_PM_UNESCO-IIWQ.pdf

[8] https://esdac.jrc.ec.europa.eu/content/global-rainfall-erosivity

[9] https://www.giz.de/de/weltweit/14931.html

[10] http://www.kooperation-international.de/aktuelles/nachrichten/detail/info/technische-hochschule-koeln-nrw-programm-foerdert-projekt-zu-wassermanagement-in-afrika/

[11] https://www.fona.de/de/besseres-wassermanagement-in-trockenen-gebieten-22199.html