Wissenschaft & Forschung, Vermessung

Die wahre Größe der Götter und Giganten vermessen

Archäologische Artefakte wie die Jupiter-Giganten-Säule der Römerstadt Ladenburg bergen noch Geheimnisse. Im Projekt Heika Musieke möchte man einige Geheimnisse lüften und das Kulturerbe Ladenburgs nachhaltig sicht- und erfahrbar machen. Unter anderem mittels moderner Digitalisierungstechniken aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Die Jupiter-Giganten-Säule der Römerstadt Ladenburg wird digitalisiert. Bild: KIT

Die berührungslose Digitalisierung von Objekten eröffne neue Forschungszugänge, erklärt Dr. Thomas Vögtle vom Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung des KIT. Die Jupiter-Giganten-Säule ist rund vier Meter hoch und vereint römische und germanische Symbole und Vorstellungen. Die Figuren auf der Säule stellen den Kampf zwischen dem römischen Gott Jupiter und einem Giganten dar. Die Textur der Säule und die Reiterfigur scheinen aber einer keltischen Tradition zu folgen. Durch das digitale Abbild lasse sich das Artefakt für Archäologen und Laien ganz neu erfahrbar machen, so Vögtle.

Um die dreidimensionale Struktur der Säule detailliert im Computer abzubilden, bedient sich das Team des KIT einer professionellen aber handelsüblichen, digitalen Spiegelreflexkamera mit 36 Megapixeln Auflösung und konventioneller Beleuchtungstechnik. Die Hardware ist robust und mobil, dadurch können wir einfach, schnell und günstig an jedem Ort unsere Daten erfassen.

An einem Arbeitstag wurden rund 800 Bilder der Säule aus allen Perspektiven aufgenommen. Am Computer werden charakteristische Merkmale der Säule erkannt, in den verschiedenen Bildern verknüpft und die Informationen der zweidimensionalen Bilder so verarbeitet, dass ein fotorealistisches, dreidimensionales Modell entsteht, an dem mit bloßen Augen schwer sichtbare Strukturen erkennbar werden. Das Computermodell dient dann als Basis für die weitere Arbeit der Archäologen.

Zugleich könnten digitale Objekte auch dem Laien einen neuen Blick auf sein Kulturerbe bieten, unterstreicht Dr. Ralf Schneider vom ZAK Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale des KIT. Er ist der Koordinator des Projekts Heika Musieke – Multidimensionale Sicht- und Erfahrbarmachung von Kulturerbe. Große Bereiche des Kulturerbes sind nur noch in eingeschränktem Maß Bestandteil unserer Lebenswelt. Durch digitale Verfahren kann Kulturerbe neu erfasst, untersucht und einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden. Sie lassen sich nun leichter auch für Laien in aussagekräftige Kontexte stellen. Archäologie, Fernerkundung, Forensische Informatik, Geoinformatik und Angewandte Kulturwissenschaft arbeiten in dem Projekt zusammen, um Kulturerbe sichtbar zu machen. Neben der Digitalisierung von Artefakten gehört dazu beispielsweise auch die Erstellung von Datenbanken mit Geoinformationen oder digitalen Karten verschiedener historischer Stadien von Siedlungen und Städten.

Die Methoden der Photogrammetrie und Digitalisierung nutzt Vögtle normalerweise eher im technischen Umfeld. Etwa um aus Flugzeugaufnahmen die Dachausrichtung in Städten und damit die Eignung als Solaranlagenstandort zu bestimmen. Oder in der Industrieproduktion, um anhand von Kamerabildern zu prüfen, ob das Produkt innerhalb der Fehlertoleranzen gefertigt wurde, problemlos im nächsten Produktionsschritt verwendet werden kann oder justiert werden muss. Oder um den Baufortschritt einer U-Bahn-Haltestelle mit dem Plansoll zu vergleichen. Gerade in der Produktion oder im Baugewerbe stehe man immer wieder vor der Aufgabe, Objekte berührungslos, automatisiert und schnell zu vermessen. Kameras und Digitalisierung seien dafür nicht zu unterschätzende Werkzeuge, so Vögtle.

Weitere Informationen unter www.kit.edu

Keywords: GIS, Geoinformation, Geo, Geoinformatik, GI, Digitalisierung, Heika Musieke, Kultur, Karlsruher Institut für Technologie, KIT