Vermessung

Im Norden ist es feuchter als vermutet

Die Feuchtigkeit des Bodens in arktischen Polarregionen kann hervorragend durch die Vergleiche spezieller Radarmessungen erfasst werden. Dabei zeigt sich, dass der Umfang arktischer Feuchtgebiete deutlich größer sein dürfte als bisher angenommen. Die Entwicklung dieser für zahlreiche Klimamodelle wichtigen Methode gelang dem Team eines aktuellen Projekts des Wissenschaftsfonds FWF, das sich mit Fernerkundung durch Satelliten und Permafrostböden in der Tundra befasst.

Der Umfang arktischer Feuchtgebiete ist wohl deutlich größer als bisher angenommen. Bild: Annett Bartsch

Wer bestehende Klimamodelle verfeinern und die polaren Lebensräume von Wildtieren abschätzen möchte, der muss die Ausdehnung von Feuchtgebieten in der arktischen Region kennen. Aber selbst im 21. Jahrhundert ist das anspruchsvoller als man annehmen würde. Die Unwirtlichkeit und gigantische Dimension der Landmasse macht spezielle Methoden erforderlich. Dem Team eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF gelang es nun, eine besonders gut auflösende Methode zu entwickeln und im „International Journal of Remote Sensing“ vorzustellen.

Streugewinn

Wesentlich für die neue Methode ist der Einfluss der Vegetation und der Oberflächenstruktur auf die „Rückstreuung“ eines speziellen Radarsignals, das von Satelliten ausgesendet wird. Man habe zeigen können, dass im Winter die Rückstreuung dieses Signals dort besonders niedrig sei, wo es eine für Feuchtgebiete typische Vegetation gebe, so Projektleiterin Annett Bartsch von der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Dabei erlaube die Auflösung des Signals sogar eine Unterscheidung in unterschiedliche Grade der Feuchtigkeit. Etwas, das bisher kaum möglich sei.

Bewegtes Radar

Das Radar, das für diese Messungen verwendet wurde, wird als Synthetic Aperture Radar (SAR) bezeichnet und erlaubt sogar eine zweidimensionale Geländeabbildung. Man konnte für die Analyse Daten des Envisat Satelliten der European Space Agency nutzen, die dieser in den Jahren von 2002 bis 2012 sammelte. Die räumliche Auflösung dieser Daten beträgt dabei zwischen 120 und 1.000 Meter. Diese liegt weit über der Auflösung von bisher verfügbaren Daten zur Bestimmung arktischer Feuchtgebiete.

Den Zusammenhang zwischen der besonders geringen Rückstreuung des Signals im Winter und der feuchtgebietstypischen Vegetation konnte das Team um Bartsch durch Vergleiche mit bekannten regionalen Landbedeckungskarten finden. Doch das Team identifizierte und lokalisierte nicht nur die niedrigsten Rückstreuungswerte der Wintermonate, sondern verglich auch Winter- mit Sommerwerten. Tatsächlich habe sich gezeigt, dass dort, wo eine besonders große Differenz zwischen diesen Werten gefunden wurde, die Bodenfeuchtigkeit auch sehr hoch gewesen sei, so Bartsch. Ein Effekt, der sogar unmittelbar durch die Feuchtigkeit – und nicht durch die Vegetation – verursacht werde. Doch obwohl diese Differenz somit viel geeigneter erschien, um Feuchtgebiete zu identifizieren, entpuppte sich die Messung der Minimalwerte der Wintermonate in der Folge als die bessere Wahl.

Eine weitere Auswertung habe gezeigt, dass die Minimalwerte aus dem Winter sich deutlich besser mit verschiedenen Feuchtigkeitsgraden des Bodens korrelieren ließen als die Winter-Sommer-Differenz, erläutert Barbara Widhalm, eine Mitarbeiterin im Projekt. So würden sich bis zu drei Feuchtigkeitsklassen unterscheiden lassen. Das ist zwar vielversprechend, doch in seiner Publikation weist das Team auch darauf hin, dass es derzeit keine großflächigen Daten gibt, die eine unabhängige Validierung der Ergebnisse erlauben. Jedoch gibt es in zahlreichen Landbedeckungskarten Hinweise auf die Bodenfeuchtigkeit, so dass diese als Referenz genutzt werden konnten, um die Aussagekraft der SAR-Messungen zu bestätigen. Analysiere man die Messungen des gesamten arktischen Polargebiets auf dieser Grundlage, dann zeige sich, dass bis zu 30 Prozent des Landes nördlich der Baumgrenze als Feuchtgebiet zu klassifizieren seien, so Widhalm. Bisher ging man von einem bis zu sieben Prozent aus. Die mit FWF-Unterstützung neu entwickelte Methode scheint also deutlich sensibler zu sein als bisherige und könnte so einen wesentlichen Einfluss auf zukünftige Klimamodelle und Habitat-Studien haben.

Weitere Informationen unter www.zamg.ac.at

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