Wissenschaft & Forschung

Muren dank neuem Modell besser vorhersehbar

Die drohende Instabilität von Böschungen kann zukünftig besser berechnet und überwacht werden. In einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF gelang die Entwicklung eines neuen numerischen Modells. Dank diesem ist es erstmals möglich, wichtige physikalische Faktoren der Hangstabilität zu kalkulieren.

Muren und Hangabgänge können künftig besser vorhergesagt werden. Bild: Shutterstock/Arnon Polin

Erdrutsche und Murenabgänge sind immer für eine Überraschung gut – denn trotz intensivster Studien und Forschungen sind sie noch immer nicht vorhersehbar. Im Rahmen eines FWF-Projekts gelang es nun aber erstmals, grundlegende physikalische Vorgänge, die eine Böschungsstabilität stark beeinflussen, numerisch zu erfassen und somit in Simulationen und Modellberechnungen zu berücksichtigen. Ein Meilenstein auf dem Weg, Erdrutsche und Murenabgänge zukünftig sicher vorherzusagen.

Wasserkraft

Die physikalischen Vorgänge, derer sich das Team um den Projektleiter Wei Wu vom Institut für Geotechnik der Universität für Bodenkultur Wien annahm, stehen dabei in engem Zusammenhang mit dem Wassergehalt eines Hangbodens. Dazu erläutert Wu, dass mit zunehmender Wassersättigung eines Bodens der Wasserdruck in dessen Poren steige. Gleichzeitig nehmen dabei die sogenannten Kapillarkräfte ab, die über die Oberflächenspannung des Wassers den Boden stabilisieren. Doch obwohl alle Alarmglocken schrillen, wenn in einer Böschung der Druck steigt und die Stabilität abnimmt, konnten diese Vorgänge bisher nicht berechnet oder modelliert werden. Es handle sich dabei um hoch komplizierte Prozesse, die durch die Struktur eines Bodens noch komplexer würden, so Wu. Denn ein Boden ist ein Drei-Phasen-System aus Bodenkörnern, Luft und Wasser, und für jede Phase gelten andere Berechnungsgrundlagen. Bisherige Modelle scheiterten an dieser Komplexität.

Aus Kalifornien nach Wien

Wu gelang es nun, dank seiner internationalen Vernetzung, einen speziellen Computer-Code zu erhalten, der an der Universität Stanford in Kalifornien, USA, entwickelt wurde. Dieser Code erlaubte es dem Team, gemeinsam mit dem Projektpartner Ronaldo I. Borja vom „Department of Civil and Environmental Engineering“ in Stanford, die wesentlichen Kriterien der komplexen Vorgänge erstmals einer numerischen Simulation zugänglich zu machen. Dazu wurde der Code für die Anwendung auf ungesättigte poröse Böden weiterentwickelt. So gelang es zu berechnen, wie sich räumlich voneinander getrennte Bereiche unterschiedlicher Wassersättigung auf das Entstehen einer Bruchkante in Böschungen auswirken können.

Modell im Praxistest

Den Berechnungen folgten dann umfassende experimentelle Modellversuche. Diese belegten, dass die theoretischen Modellrechnungen die realen Vorgänge sehr gut beschreiben, so Wu. Tatsächlich wurden für diese Bestätigung des Modells zahlreiche verschiedene Bedingungen durchgetestet. Ganz wichtig war dabei die Wirkung der Niederschlagsintensität auf die Böschungsstabilität, denn zahlreiche Böschungsrutschungen werden durch Regen überhaupt erst verursacht. Für die Modellversuche griff Wus Team dabei auf eine spezielle Zentrifugentechnologie in einer Klimakammer zurück. Dort wurde ein Miniaturmodell einer Böschung aufgebaut und mit Messinstrumenten versehen, die eine Untersuchung der tatsächlichen Untergrundverhältnisse ermöglichten.

Bruchtest

Dank dieser aufwendigen Modellversuche war der Erkenntnisgewinn für das Team sehr umfangreich, wie Wu erläutert: Sie hätten sehr viel über den Mechanismus, der zum eigentlichen Bruch im Hanggefüge führt, gelernt. Es sei gelungen, die dabei mobilisierte Energie zu berechnen und somit auch das Entstehen und Wachstum von instabilen Gleitfugen. Dies sind Bereiche, in denen der Reibungswiderstand des Bodengefüges geringer ist als in der Umgebung. Ein wesentliches Ergebnis der Arbeit war dabei auch, dass bereits kleine Änderungen der sogenannten Wasserspannung einen signifikanten Einfluss auf die Stabilität des Bodens haben können.

Das als Teil eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF entstandene Modell kann so zukünftig helfen, potenziell gefährliche Böschungen zu identifizieren und diese effizienter zu überwachen. Außerdem kann es als eine Software dienen, mit der die Stabilität von Böschungen zuverlässig berechnet wird.

Weitere Informationen unter www.boku.ac.at

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