Vom BIM zum „BUM“?

Andreas Eicher

Das Thema BIM braucht mehr Durchsicht (Bild:fotolia.com_adiruch na chiangmai)

Das Marktforschungsinstitut „Research and Markets“ prognostiziert in einer Studie „Global Building Information Modeling Software Market 2016-2020“ das Wachstum des weltweiten BIM-Softwaremarkts um 17 Prozent bis 2020 [1]. Das klingt zunächst vielversprechend. Und doch muss bei genauerem Hinsehen eine Antwort lauten: „Setzen sechs“. Nicht was das Wachstum betrifft, sondern die Zusammenhänge. Denn BIM auf Software zu reduzieren, ist mehr als töricht. So schreibt das „Deutsche Architektenblatt“ bereits 2016: „BIM Methode, nicht Software“. Und der Beitrag folgert: „Building Information Modeling, was übersetzt etwa „Bauwerksdatenmodellierung“ bedeutet, ist keine Software. Darunter versteht man vielmehr jene Planungsmethoden und Prozesse, die für die Erstellung, Koordination und Übergabe konsistenter, für alle Beteiligten zugänglicher digitaler Gebäudedatenmodelle erforderlich sind“ [2].

Doch so einfach ist es nicht mit der Definition und dem Verständnis von BIM. Denn die drei Buchstaben und deren Inhalte sind alles andere als klar, sprich definiert. Bereits der „BIM-Anwendertag“ im Jahr 2015 brachte es auf den Punkt: „Dabei ist es sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen sind und dabei voneinander profitieren können. Die einen machen einfach „BIM“ oder „BIM“-Management, die anderen forschen daran und befassen sich damit, wie das eigentlich in die aktuelle Planungslandschaft einzubetten ist. Es gibt noch nicht sehr viele Definitionen von Leistungsbildern oder Abläufen. Auf jeden Fall hat noch keiner die Wahrheit gefunden, aber alle arbeiten zusammen an einer deren Findung“ [3]. Oliver Bürkler, Senior Produkt Manager bei Faro, sieht in diesem Kontext BIM als einen ganzheitlichen Prozess im Bauumfeld und wichtigen Faktor: „Dabei geht es um eine neue Methode und weniger darum, ein Stück Software zu verkaufen.“ Und diesen Prozess müssen Unternehmen leben, wollen sie mit BIM erfolgreich Projekte durchführen.

Um das Thema BIM zu „ordnen“, schaltet sich die Politik verstärkt in den Gesamtprozess ein. In einem selbst auferlegten „Stufenplan zur Einführung von Building Information Modeling (BIM)“ möchte das BMVI die digitalen Plan- und Bauvorhaben umsetzen. Das erklärte Ziel heißt, BIM ab 2020 bei neu zu planenden Projekten regelmäßig anzuwenden [4].

Das ist löblich, zeigt aber, dass das Thema hierzulande noch nicht flächendeckend und vor allem bindend zum Einsatz kommt. Gründe waren bis dato unter anderem fehlende Regularien in Bezug auf BIM-Verträge und -Richtlinien sowie der mangelnden Rechtssicherheit in puncto möglicher Preisgestaltungen. Und das sehen Kritiker als Risiko – eben eines Scheiterns des theoretischen Themas BIM in der Praxis.

Von Regularien und Standards beim Bauen 4.0

Um das zu verhindern, arbeiten Politik, Verbände und Unternehmen seit geraumer Zeit an verbindlichen Regularien, Richtlinien und Standards. Einen umfassenden Überblick bietet beispielsweise der BIM-Leitfaden, der als Forschungsprogramm des ehemaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) – dem heutigen BMVI – von 2012 bis 2013 entstanden ist. Federführend bei diesem Forschungsprojekt war die Arbeitsgemeinschaft Obermeyer Planen + Beraten GmbH und AEC3 Deutschland GmbH. Mit Obermeyer und AEC3 waren damit zwei Unternehmen in den Forschungsaustrag eingebunden, die sich seit langer Zeit mit der Entwicklung neutraler Standards sowie der Projektarbeit und Beratung von BIM und den Methoden beschäftigen.

Der Leitfaden ist „eine erste Annäherung an das Thema BIM und die damit verbundenen Anforderungen, die bei der Einführung dieser neuen Arbeitsmethode in ein Unternehmen oder bei der Anwendung in einem Projekt beachtet werden müssen“ [5]. Im Umkehrschluss zeigt sich, dass es noch vieles zu tun gibt in Sachen Gesetzen, Standards und Richtlinien beim Thema BIM. Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, zeigt sich indes zuversichtlich: „Mit BIM lassen sich Dauer, Kosten und Risiken großer Bauprojekte in erheblichem Umfang reduzieren. Unser Ziel ist es, Innovationsführer beim digitalen Bauen zu werden. In Zukunft soll in Deutschland der klare Grundsatz gelten: Erst digital, dann real bauen.“ Und das heißt: BIM fest zu verankern mithilfe eines Masterplans „Bauen 4.0“ [6]. Die hoch gesteckten Ziele aus dem Ministerium Dobrindts sind indes noch im Konjunktiv zu sehen, denn neben einem bis dato fehlenden BIM-Gesamtstandard hat „der öffentliche Auftraggeber in Deutschland bislang kaum Erfahrungen mit der BIM-Methode“ [7].

Einheitliches Verständnis sowie Aus- und Weiterbildung

Um das Thema BIM voranzutreiben, ist das Wissen um die Methode, der Prozesse und vor allem ein einheitliches Verständnis erforderlich. Bereits bei der Definition von BIM unterscheiden sich die Geister. Für die einen bedeutet BIM einen Ordner auf dem Laufwerk oder sie sehen darin überwiegend Software. Für die anderen ist BIM eine fundamentale Prozess- und Methodenänderung im kompletten Lebenszyklus des Bauprojekts. Zwischen diesen Extremen existieren viele Wahrheiten, Auffassungen und Erklärungsversuche. Dass dies für das Gesamtverständnis von BIM hinderlich ist, liegt auf der Hand. In diesem Zuge könnten verstärkte Aus- und Weiterbildungsgänge das Wissen zum Thema BIM fördern. Allerdings ist Deutschland von einer einheitlichen und flächendeckenden Lehre noch weit entfernt. Kurzum: Es mangelt an Wissen im Umgang mit BIM. Und diese Wissenslücke wird sicher weiter verstärken, wenn es keine tief greifenden Änderungen bei der Etablierung neuer Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt. Denn BIM wird gesetzlich zur Pflicht und damit entsteht ein zunehmender Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern.


Eines der wichtigsten Themen: Die Aus- und Weiterbildung im BIM-Bereich (Bild: fotolia.com_Trueffelpix)

Diesen Bedarf erkennen die Universitäten und bieten mittlerweile BIM-Seminare, Kurse und Lehrveranstaltungen an. Neben der Bauhaus-Universität Weimar mit der Ausbildung „Building Information Modeling (Kommunikationssysteme)“, dem interdisziplinären BIM-Kurs an der Technischen Universität München oder der Technischen Universität Kaiserslautern mit ihrer Einführung zum Thema BIM. Und auch die Universität Leipzig bot im vergangenen Jahr einen zweitägigen Workshop zu BIM an.

Auf den Punkt gebracht ist das bisher zu wenig. Denn trotz zaghafter Fortschritte darf nicht übersehen werden, dass fundierte Aus- und Weiterbildungen bis dato eher selten sind. So beschränken sich die Fortbildungswege meist auf Initiativen privater Organisationen (teils in Kooperation mit Universitäten).

Die TÜV Süd Akademie bietet beispielsweise eine Aus- und Weiterbildung zum „BIM Basis Anwender“ und „BIM Professional“ unter „Berücksichtigung der 5 BIM Faktoren: Menschen, Prozesse, Rahmenbedingungen, Technologien und Daten“ an [8]. Beim Unternehmen Hochtief ViCon wurde ein Schulungs- und Zertifizierungssystem entwickelt. Im Rahmen des modular aufgebauten Schulungssystems werden die „Nutzung der BIM-Anwendungen“ vermittelt und wie „mithilfe dieser Werkzeuge Prozesse effizienter gestaltet werden können“ [9].

Und auch „Mensch und Maschine“ (MuM) engagiert sich im BIM-Ausbildungsbereich. Das Unternehmen offeriert eine dreistufige Ausbildung (BIM Ready-Kurse) zum „BIM-Konstrukteur“ sowie „BIM-Koordinator“ und BIM-Manager“. Inhaltlich unterstützen die Kurse von MuM die „openBIM Standards“ der „buildingSMART International“. Die aufgezeigten Aus- und Weiterbildungswege können aktuell nur als Anfang gesehen werden. Ein wichtiger Punkt, den schon die Mancher des BIM-Leitfadens anmerkten: „Dringender Handlungsbedarf besteht in der Aus- und Weiterbildung, die an Hochschulen, Weiterbildungsinstitutionen und Fachakademien auf der Basis eines abgestimmten Grundkonzepts umgesetzt werden müsste. Der Fokus darf dabei nicht allein auf der Softwareschulung liegen, sondern die Zusammenhänge der BIM-Methode müssen ebenfalls vermittelt werden“ [10]. Es bleibt zu hoffen, BIM von der Theorie in die Praxis zu führen. Und vor allem, um die Sicht über den Tellerrand der reinen Software zu fördern. Andernfalls droht bei BIM das „BUM“ und die Beteiligten wachen mit einem großen Knall auf.

Quellen:

[1] http://www.researchandmarkets.com/research/5zdjnr/global_building

[2] http://dabonline.de/2016/06/01/bim-methode-nicht-software/

[3] http://cc-bim.de/interview-der-bim-anwendertag-in-muenchen/

[4] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/DG/digitales-bauen.html

[5 ] http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/FP/ZB/Auftragsforschung/3Rahmenbedingungen/2013/BIMLeitfaden/Endbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2

[6]https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2017/009-dobrindt-bim-gipfel.html?nn=214506

[7] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/Digitales/bim-leitfaden-deu.pdf?__blob=publicationFile

[8] https://www.tuev-sued.de/akademie-de/seminare-technik/gebaeudetechnik-1/bim#tab_1464791179523822650735

[9] http://www.hochtief-vicon.de/vicon/BIM-Beratung/BIM-Training-5.jhtml

[10] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/Digitales/bim-leitfaden-deu.pdf?__blob=publicationFile